Bei der SPD haben der Ortsverein Nordweststadt-Niederursel, Nordweststadt-Süd und Heddernheim im letzten Jahr zur SPD-Nordwest fusioniert. Jedes Jahr wird vom Ortsverein ein Ausflug zu einer historisch bedeutsamen Location organisiert. Dieses Jahr ist der alte Stadtkern von Niederursel das Ziel. Herr Roger Bohn, der Vorstandsvorsitzende und Frau Astrid Drossmann führten die Teilnehmer im Rahmen ihres diesjährigen Sommerprogramms durch den alten Ortskern.
Der Urselbach und die Mühlbäche
Die letzte Überschwemmung war am 2. Mai dieses Jahres. Überflutet wurden nicht nur weite Teile der Spielsgasse, sondern auch die Straßen rund um den Werner-von-Ursel-Platz. Teilweise stand das Wasser hüfttief auf den Straßen. Die Überschwemmungen gibt es inzwischen etwa jedes halbe Jahr und nicht mehr wie früher alle 10 Jahre oder alle 100 Jahre. Überflutete Keller, Schäden an Gebäuden und Einrichtungen waren die Folge. Falsche Bauaktivitäten haben die Probleme noch vergrößert. Der Parkplatz beispielsweise hinter dem Lahmen Esel diente früher als Versickerungsfläche. Inzwischen wurde er befestigt und höher gelegt, sodass er als Wasserauffangbecken nicht mehr zur Verfügung steht. Entlang des Dorfwiesenweges steigt das Gelände an, sodass oberirdisch abfließendes Regenwasser die Überschwemmungen verstärkt. Auch bei dem Neubau an der Obermühle wurde die Hochwasserproblematik nicht adäquat bautechnisch berücksichtigt.
Die Mühlen und der Mühlgraben
Früher gab es auf Niederurseler Gebiet mal 8 Mühlen. Ein Teil der Mühlen wurde abgerissen, und die 5 restlichen Mühlen werden nicht mehr als Mühlen genutzt. Die Zuständigkeit für den Mühlbach schwankt zwischen privat und städtisch, obwohl die alten Wasserrechte längst an die Kommune zurückgegeben wurden. Seit 1954 übt die Stadt das Wasserrecht nicht mehr aus. Da die Dichtigkeit des Grabens nicht gewährleistet ist, wird er auch nicht mehr geflutet und verlandet zusehends. Er mündet am Ende in den Urselbach.
Fachwerkhäuser
Bis in die 1970er Jahre bestand die vorherrschende Architektur in Alt-Niederursel aus Fachwerkhäusern. Glücklicherweise sind auch heute noch eine ganze Reihe dieser Häuser erhalten, da sich Eigentümer fanden, die bereit waren, Geld in die alte Bausubstanz zu investieren und bei Renovierungen die Schönheit des Fachwerks wieder zur Geltung zu bringen.
Werner-von-Ursel-Platz
Werner von Ursel (geboren 1280) ist der bekannteste Bürger des Ortes. Er war von Berufs wegen Ritter und gehörte dem niederen Adel an. Dieses Dorf gehörte einem Grafen. Dieses Grafengeschlecht ist 1134 ausgestorben. Die erste urkundliche Erwähnung von Niederursel stammt aus dem Jahre 1132. Von daher könnte in 8 Jahren das 900-jährige Bestehen von Niederursel gefeiert werden. Die Ritterburg bzw. die dazugehörigen Ländereien waren ein reichsunmittelbares Lehen. Das heißt, die Ländereien wurden immer unmittelbar vom Kaiser oder König an die Adelsfamilie verliehen.
Im Gegenzug verpflichtete sich die Familie dem Kaiser (Friedrich I, Barbarossa) oder König militärische Gefolgschaft und unverbrüchliche Treue (Beistand auf Gegenseitigkeit). Statt das Land als Lehen zu geben, konnte der Herrscher auch einen Vogt (einen Verwaltungsbeamten) einsetzen.
Die vom Kaiser als Vögte eingesetzte Adelsfamilie hatte auf ihrem Land eine kleine Wasserburg errichtet, vermutlich ähnlich wie die Burg in Schwanheim-Goldstein. Die Lage am Wasser (hier der Urselbach) spielte bei der Verteidigung eine wesentliche Rolle (Mauern, Wassergräben, Zugbrücke, …). Die reale Existenz der Burg ist erst in den letzten Jahren (2020) sichtbar geworden, als alte Fundamente bei den Ausschachtungen für die Tiefgarage zum Vorschein traten.
Der erste Vogt, der dort residierte, hieß Richwin von Ursele.
Erben und Karriere in Adelsfamilien
Damit die Ländereien bei kinderreichen Adelsfamilien nicht immer kleiner wurden, von den Parzellen her, bekam der Erstgeborene die Ländereien komplett. Die jüngeren Söhne waren daher gezwungen, sich ihren Lebensunterhalt anderweitig zu verdienen. Eine Möglichkeit war, eine reiche Frau von Adel zu heiraten, eine zweite Möglichkeit war beim Landesfürsten als Ritter anzuheuern. Eine dritte Möglichkeit war der Eintritt in ein Kloster als Mönch und die vierte Möglichkeit war die Kombination aus den beiden vorhergehenden Wegen, nämlich als Ritter in den Dienst eines geistlichen Ritterordens (Deutschherren, Johanniter, Malteser, Ritter vom Heiligen Grab, Templer und ähnliche) einzutreten.
Eintritt und Karriere im Deutschherren-Orden
Werner von Ursel trat in den Deutschherren-Orden ein. Sein Vater hatte ihn ausgestattet mit 2 Pferden, Rüstung und Knappen. Da er begabt war, ist er schon mit 30 Jahren Komtur zu Ragnit an der Memel (Niederlassungsleiter) geworden. Dann wurde er 1315 Großkomtur (Regionalleiter) des Deutschen Ordens auf der Marienburg und schon 1329 wurde er zum Hochmeister des Deutschen Ordens gewählt, bestätigt durch den Papst und den Kaiser. Der Deutsche Orden hatte vom Papst ein neues Aufgabengebiet bekommen, die Missionierung in Nordosteuropa. (Litauer, Prussen, Polen, …)
Seine Aufgaben
Als Hochmeister des Deutschen Ordens entwickelte er die Struktur des Ordens weiter (Disziplin, Bildung), eroberte neue Gebiete, missionierte im Herrschaftsgebiet, stärkte die Wehrhaftigkeit seiner Truppen, baute Handel und Landwirtschaft aus und gründete Dörfer und Festungen.
Seine Gegner
Seine Erfolge verschafften ihm Kontrahenten und Gegner. 1330 lauerte der Ordensbruder Johann von Endorf seinem Hochmeister nach der Vesper in der Marienburg auf und erstach ihn in einem wahnsinnigen Racheakt.
Direkt neben der Pforte über der Tür zum Turm ist rechts das Wappen Werner von Ursels und darunter wird die Mordtat in Versen geschildert:
„O we, o we, o we und ach
Johann von Eindorf das verbrach
daz er ein Mensche Sunder ere
den Homeister Wernhere
von Orsele zu Tode stach
zwischen sinen Knechten ach!
In dem Cruzegange
da er nach dem Gesange
der Vesper uz der Kirche trat
und ir starb ouch an der stat.
Got laze des Todes Pin
sten vor alle di Sunde sin.”
Die Ermordung des Hochmeisters war jedoch im Kirchenrecht nicht vorgesehen. Daher gab es dafür auch kein Strafmaß. Deshalb wurde Johann von Eindorf nur eingekerkert. Währenddessen wurde ein Bote zum Papst Johannes XXII. nach Avignon geschickt. Doch der Papst konnte dazu auch keinen Beitrag liefern. Er hat sogar den Kirchenbann über den Mörder aufgehoben, sodass er anschließend auch wieder christlich beerdigt werden konnte. Daher blieb der Täter bis zu seinem Tod eingekerkert. Werner von Ursel wurde im Dom von Marienwerder beerdigt.
Die Obermühle
Ist eine der 5 Mühlen, die auf Niederurseler Gebiet noch existieren. Sie ist die Einzige, die mitten im Ortskern liegt. Alle anderen liegen weiter entfernt.
- Hohe Mühle
- Papiermühle
- Schilasmühle
Als naturpädagogisches Zentrum/Naturkindergarten.
Die Esel der Schilasmühle nehmen an der Niederurseler Kerb teil.
- Obermühle
eine Bannmühle für Getreide (Mühlenzwang)
war zeitweilig auch eine Walkmühle für Filz.
Seit 1920 nicht mehr im Betrieb.
Das Mühlrad liegt innen, der Mühlgraben geht durchs Haus.
Die Obermühle
Die Beleuchtung
In diesem Teil des Ortes gab es lange Zeit keine Beleuchtung. Irgendwann kam die Ansage der Stadt: Wenn der SV Niederursel da oben eine Mädchenmannschaft hat, dann würde die Beleuchtung errichtet.
Dies erfuhr ein guter Kumpel des Ortsbeiratsvorsitzenden. Er fand ganz schnell 10 Mädels, die Fußball spielen wollten. So entstand die Damenmannschaft und die Stadt kam nicht umhin, dann die Beleuchtung bis hin zum Sportplatz einzurichten. Auf dem Sportplatz wurde erst kürzlich auch noch eine Boulebahn und eine Calisthenics Anlage errichtet.
Alt-Niederursel 44
Eine junge Familie hat dieses Haus gekauft und es in Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt wieder instandgesetzt. Das Haus ist ursprünglich aus dem frühen 17. Jahrhundert (1615) und der Neubau aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts (1716).
- Das Dach wurde neu eingedeckt
- Das Fachwerk wurde freigelegt
- Jetzt gibt es wieder bleiverglaste Fenster (Butzenscheiben)
Dieses Haus war einer von 17 Vorschlägen in diesem Jahr für den Hessischen Denkmalschutzpreis.
Nominiert für den Hessischen Denkmalschutzpreis
Herrenhof aus fränkischer Zeit (ca. 500 n. Chr.)
Auch heute noch gibt es ein Geviert zwischen Henne- und Erbsengasse, das weitgehend in sich geschlossen ist, das ursprünglich einen befestigten Herrenhof aus fränkischer Zeit bildete, in dem auch Soldaten untergebracht waren. Dies könnte man als den Ursprung des heutigen Niederursel betrachten.
Teilung des Dorfes
Der letzte Vogt (ab 1403), Henne von Ursel, war in finanziellen Schwierigkeiten und verkaufte daher die Ländereien von Niederursel an die Grafen Solms-Rödelheim und an die Stadt Frankfurt.
Nicht geregelt wurde dabei aber die Aufteilung der Rechte, sodass nachfolgend viel Durcheinander entstand. Daher gab es viele Beschwerden beim Reichskammergericht (zuständig für den Landfrieden).
Erst 1714 wurde eine vernünftige Ortsteilung beschlossen. Daraufhin sind diese 2 Rathäuser entstanden. Frankfurt errichtete als erstes ein eigenes Rathaus. Zwei Jahre später haben die Solmser ihr Rathaus errichtet.
Der nördliche Teil gehörte Solms und der südliche Teil Frankfurt. Da die beiden Hälften nicht gleich groß waren, mussten einige Leute umziehen. Gemeinsam genutzt wurde die alte Kirche hier oben, das Gefängnis, der „Gehorsam“, die Dorfstraße, die Spielsgasse (Zugang zum Bach), der Friedhof und die Zugänge zu den Feldern. Erst 1898 gelang es, diese Teilung wieder aufzuheben. 1910 wurde der Ort dann zu Frankfurt eingemeindet.
Die Kriegszeiten
- 30-jähriger Krieg 1618-1648
- Krieg der Pfalznachfolge, 1688 bis 1697
- Österreichischer Erbfolgekrieg, 1740 bis 1748
- 7-jähriger Krieg, 1756 bis 1763
- Napoleonische Kriege, 1805 bis 1815
- Deutsch-Französischer Krieg, 1870 bis 1871
- Erster Weltkrieg 1914-1918
- Zweiter Weltkrieg 1939-1945
In allen diesen Kriegen bis zu den napoleonischen Feldzügen zogen Truppen durch das Dorf. Wenn die Soldaten kamen, mussten sie verpflegt werden, neu ausgerüstet werden, mit Geld versorgt werden, …
Außerdem kam es zu Plünderungen, Vergewaltigungen, Brandschatzungen …
Zusätzlich waren Straßen zu bauen, Mauern zu errichten und andere Frondienste.
Dazwischen gab es noch einige Pest-Epidemien, Mäuse-Plagen und Ähnliches.
Etwa 50 % der Bevölkerung starb an den Sekundärfolgen allein des 30-jährigen Krieges.
Infotafeln
Die Infotafeln an den Rathäusern hatte damals das Presseamt der Stadt Frankfurt erstellt. Der Vater von Herrn Bohn hatte dort gearbeitet. Von ihm ist die Idee für diese Schilder. Aber sie werden nicht mehr erneuert. Bei Renovierungen werden sie meist entfernt. Beide Rathäuser werden heute als Wohnhäuser genutzt.
Die Gustav-Adolf-Kirche
Diese eingemauerten Fenster in der Mauer stammen noch aus der Vorgängerkirche.
Außerdem befindet sich hier noch ein Grabstein für einen Zigeuner, der hier gestorben ist und auch hier beerdigt wurde: Johannes Demulin, Zickeuner, verstorben 1669.
Auf einem Foto aus den 1970er Jahren kann man die Inschrift noch deutlich lesen.
Grabstein an der Mauer um die Gustav-Adolf-Kirche
Der Gehorsam (Gefängnis) um 1600 erbaut, mit Pranger
Gruselig, rumpelig und voller Spinnennetze. Zum Öffnen ist neben einem Schlüssel ein Gummihammer von Nutzen. Daneben der Pranger. Die Kette reichte früher bis zum Boden und hatte Halskrause, Handschellen und Fußfesseln. Er wurde für Ehrenstrafen genutzt. (Niedere Gerichtsbarkeit)
Soziale Ächtung führte oft zum Ausschluss aus der Dorfgemeinschaft. Leibeigene konnten aber nicht einfach wegziehen.
Gedenkstein für die Gefallenen des 1. Weltkriegs
Hier stehen stattliche 40 Namen. Das ist für so einen kleinen Ort sehr viel. Viele Namen sind doppelt, da mehrere Söhne aus einzelnen Familien gestorben sind.
Der Kirchbau
Die Kirche wurde erst gebaut, nachdem Niederursel schon zu Frankfurt gehörte. Erstaunlich dabei ist, dass ein kleines, konservatives evangelisches Bauerndorf sich damals 1927 entschloss, solch ein modernes Bauwerk errichten zu lassen. Die Kirche wurde im Bauhaus-Stil von Martin Elsaesser (Erbauer der Großmarkthalle) errichtet. Ernst May hatte ihn als Leiter des Hochbauamtes nach Frankfurt geholt. Es entstand ein oktogonaler Bau, angelehnt an alte griechische Kirchenbauten. Erst vor 7 Jahren wurde der ursprüngliche Erbauungszustand wieder hergestellt. Zwischenzeitlich war sie schon zweimal renoviert worden. Beim Bau wurden verschiedene Betonsorten verwendet. Der Mensch sollte wieder in den Mittelpunkt des Gottesdienstes gestellt werden. Daher wurde der Kirchenraum sehr puristisch angelegt. Auch Hierarchien sollten abgebaut werden. Der Pfarrer wurde wieder auf den Boden des Glaubens herabgeholt. Keine Überhöhung durch eine Kanzel. Damaliger Spruch: „Alles neu macht der May, alles besser macht der Elsaesser“.
Der Gemeindesaal ist hinten im Karl-Kautsky-Weg. Es wurde in den 1960er Jahren gebaut.
Eingemeindung
Bei den Eingemeindungsverträgen gab es lange Übergangsfristen, was Rechte und Pflichten betraf. Besonderheit: Frankfurt verpflichtete sich den Zuchtbullen, den Zucht-Eber und den Zucht-Ziegenbock zu unterhalten. Heutzutage gibt es sie jedoch nicht mehr, da kein ansässiger Bauer mehr Viehhaltung betrieb.
1910 wurde an der heutigen U-Bahnhaltestelle auch die erste Straßenbahn (Nr. 24) eingeweiht. Sie fuhr dieselbe Strecke wie heute die U 3 von der Innenstadt hoch zur Hohemark.
Niederursel brachte in die Fusion mit Frankfurt ein Stück Wald mit ein, das oberhalb der Hohemark liegt. Von dort spendiert die Stadt jedes Jahr einen Kerbebaum.