Riedberger Apotheken bestätigen Trend
Am 29. April hat die Hochlaufphase der elektronischen Patientenakte (kurz ePA) begonnen. Das digitale Format, das es Gesundheitseinrichtungen erlaubt, per Knopfdruck alle medizinischen Daten eines Patienten auf einmal abzurufen, steht nun bundesweit zur Verfügung. War die E-Akte in den letzten Tagen ein medialer Dauerbrenner, gehen die Riedberger Apotheken ihrem Alltag weitestgehend unbehelligt von der digitalen Neuerung nach. Sie planen ihren Start erst für die kommenden Monate, spätestens aber für Oktober 2025. Dann nämlich wird das E-Format für alle Leistungserbringer verpflichtend. Bis dahin heißt es Ruhe bewahren. Der Grundtenor: Die Umstellung brauche Zeit. Für eine reibungslose Digitalisierung müsse einiges getan werden, nicht nur von Seiten der Apotheken.
In der Receptura Apotheke in der Altenhöferallee 5 zeigt man sich am Dienstag ob der Frage nach den Alltagserfahrungen mit der ePA überrascht. Bis zum Pflichtstart im Oktober werde man sich einarbeiten, aktuell sei die ePA aber noch kein Thema. Hierfür sei es noch zu früh. Auch Kunden hätten die elektronische Akte noch nicht angesprochen. Die Inhaberin der Apotheke im Riedberg-Zentrum OHG geht ins Detail: Niemand habe sich gemeldet. Die Kassen hätten sie bezüglich der Umstellung nicht kontaktiert, sie selbst sehe angesichts der Umstellung eine große Mehrarbeit auf sich zukommen. Es gebe zwar ein Webinar, das sie angesehen habe, für eine erfolgreiche Einarbeitung benötige man aber dringend Schulungen – für alle Mitarbeiter, und das vor Ort. Auch sie betont: Keiner ihrer Kunden habe sich bislang nach der E-Akte erkundigt. Und ergänzt: Die Versicherten müssten sich auch selbst informieren.
Geringes Interesse und großer Aufwand
Damit treffen die beiden Riedberger Apotheken einen Nerv: Einer repräsentativen Umfrage im Auftrag von Pharma Deutschland zufolge kannten im Februar dieses Jahres rund 24 % aller gesetzlich Versicherten die elektronische Patientenakte nicht. In Hessen waren es sogar knapp 26 %. Inzwischen könnten die Zahlen zwar gestiegen sein, denn das Für und Wider der E-Akte wurde in den letzten Wochen heiß diskutiert. In den Apotheken schlägt sich die gesteigerte Aufmerksamkeit aber noch nicht nieder. Aufseiten der Versicherten herrscht Schweigen. Die Inhaberin der Apotheke im Riedberg Zentrum zieht Vergleiche zum E-Rezept: Auch dieses sei im Januar 2024 als große Neuerung gepriesen worden, aber kaum ein Kunde nutze es – bis heute.
Auch mit dem Eindruck, man werde bei der Umstellung auf das digitale Format allein gelassen, liegt die Apothekerin im bundesweiten Trend. Bereits vor zwei Jahren hatten sich Ärzte im Zuge einer Umfrage von Arzt und Wirtschaft und jameda.de zur anstehenden Digitalisierung des Gesundheitswesens geäußert. Knapp die Hälfte gab damals an, sich überfordert zu fühlen, und wünschte sich mehr Unterstützung bei der konkreten Umsetzung. Daran scheint sich bis heute nichts geändert zu haben. Laut der Deutschen Presseagentur (dpa) seien die ersten Tage mit der ePA von Unsicherheit, Ernüchterung und Chaos geprägt gewesen. Technisch problematisch und unübersichtlich sei die digitale Neuerung, wie Hessens Praxen und Kliniken zu berichten wussten. Christian Sommerbrodt, Vorsitzender des Hausärzteverbands, bezeichnete die E-Akte im dpa-Interview gar als „Telefon mit Wählscheibe“, obgleich man ein iPhone versprochen bekommen habe.
Am Ende alles nicht so tragisch
Und der Datenschutz? Kriminelle, die Daten hacken, gebe es überall, so die die Inhaberin der Apotheke im Riedberg-Zentrum, um auf den pharmazeutischen Alltag im Frankfurter Norden zurückzukommen. Das sei kein ePA-spezifisches Phänomen. Lücken in der Datensicherheit waren wie Hürden bei der technischen Umsetzung lange diskutiert worden und hatten zuletzt Zweifel am viel zitierten „Quantensprung in der Versorgung der Patienten“ aufkommen lassen.
Tatsächlich entspricht dieser Quantensprung Mitte Mai mehr einem Quantensprung im physikalischen Sinne als der rhetorischen Figur des Quantensprungs. Letztere meint stets einen revolutionären Fortschritt, eine grundlegende Umwälzung innerhalb kürzester Zeit. In der Physik dagegen wird ein Quantensprung als kleinste nur mögliche Zustandsänderung definiert. Auch der Start der ePA verläuft in kleinen Schritten, zögerlich. „Am Ende wird aber alles nicht so tragisch“, zeigt sich die Inhaberin der Apotheke im Riedberg-Zentrum zum Schluss optimistisch. Ob und wie die ePA in den kommenden Monaten im Alltag der Riedberger Apotheken ankommt, bleibt geduldig abzuwarten. Ihr Gelingen dürfte nicht zuletzt davon abhängen, wie Versicherte, Gesundheitseinrichtungen und politische Entscheidungsträger in Zukunft zusammenarbeiten.