Wie Schubladen in Apothekerschränken

Beet mit fetten Ölen

Im Riedberger Arzneigarten wächst Heilsames und Giftiges

„Braucht man in der modernen Biowissenschaft überhaupt noch einen botanischen Garten?“ Die Frage, die Ilse Zündorf, Akademische Oberrätin am Institut für Pharmazeutische Biologie der Goethe-Universität Frankfurt, zu Beginn ihrer Führung durch den Riedberger Arzneipflanzengarten stellte, entpuppte sich schnell als rhetorisch. Nicht nur am Tag des Frühlingsfests dient das satte Grün vor dem Riedberger Biozentrum dem naturwissenschaftlichen Campus als Forschungsstätte. Der Arzneipflanzengarten existiert bereits seit 2014 und wird auch in Zukunft ein integraler Bestandteil der dort ansässigen Wissenschaften sein.

Wie in Schubladen in Apothekerschränken einsortiert reihen sich die Stoffgruppen hangabwärts. Hier finden sich Phenole, Schwefelstoffe und Alkaloide. Aber auch solche Stoffe, die man für üblich aus der Küche kennt, tischt der Garten auf. Die Stoffgruppe „Fette Öle“ springt sofort ins Auge und dürfte den meisten Besuchern geläufig sein. Beim Gang durch die Beete möchte man mitunter in den Gewürz- statt in den Apothekerschrank greifen: Minze, Thymian und Lavendel wachsen im Fach für Ätherische Öle. Die Kamille ist gleich in mehreren Beeten vertreten, Saponine wiederum kennt man als Seifenstoffe aus dem heimischen Badezimmer. Dabei riechen und schmecken die Gewächse nicht nur gut. Ihnen allen ist ihre potenziell krankheitslindernde Wirkung gemein. Die Arzneipflanzen können bei Kopfschmerzen, Nervosität und Verdauungsbeschwerden helfen. Mit dem Thema Teebaumöl bei Hautbeschwerden kennen sich auch die Führungsteilnehmer gut aus.

Mit Vorsicht genießen

Allerdings: Nicht alle Gewächse im Arzneipflanzengarten sind alltagstauglich. Wer seine Hoffnung in den großen Ginkgo-Baum steckt, sollte beachten, dass ein Tee allein nicht reicht, um Schwierigkeiten beim Erinnern entgegenzuwirken. Zur Verbesserung der Gedächtnisleistung wird ein Extrakt benötigt, das aus den Blättern des Baumes gewonnen wird. Erst in extrahierter Form kann die Pflanze ihre durchblutungsfördernde Wirkung entfalten und so zum Beispiel Demenzerkrankungen im Anfangsstadium verlangsamen.

Auch wer glaubt, der Garten inspiriere ausschließlich zu Wohltaten, wird eines Besseren belehrt. Mit einem Augenzwinkern erzählt Ilse Zündorf die Geschichte einer Krimi-Autorin, die am biologischen Institut anrief, um die tödliche Wirkung pflanzlicher Giftstoffe zu erörtern. Welche Wirkstoffkombinationen erzielen in der Sauna welchen Effekt? Die Idee: ein Saunahandtuch in pflanzliche Giftstoffe tränken und so einen Mord in Gang setzen. Ob der Sauna-Arzneipflanzen-Krimi je erschienen ist, sei unbekannt, so Zündorf. Sicher ist aber, dass einige der Pflanzen, die auf dem Riedberger Campus gedeihen, unverarbeitet extrem giftig sind. Dazu gehören unter anderem der Blaue Eisenhut und die Tollkirsche.

Paten sichern Zukunft des Gartens

Finanziert werden die Arzneipflanzen durch Spenden. Da alle großen Geldgeber bei der Gründung des Gartens bereits anderweitig belangt waren, stützt sich der Arzneipflanzengarten auf die Zuschüsse vieler kleiner Spender. Dies bricht der Summe nichts ab: 120.000 Euro sind laut Zündorf zusammengekommen. Wer eine Patenschaft für eine Pflanze übernimmt, wird seinen Namen auf dem zugehörigen Schild wiederfinden. Auch die Fachschaft Pharmazie hat eine Patenschaft übernommen. Ganz im Sinne einer erfolgversprechenden und ehrreichen Wissenschaftspraxis betreut sie die Lorbeere.

Der Wissenschaftsgarten, zu dem der Arzneipflanzengarten gehört, soll in den kommenden Jahren bis in die Altenhöferallee wachsen. Nur für den Klimawandel hat der Garten bislang keine eigene Strategie entwickelt. Während auch in Frankfurt die Sommer immer heißer werden, sind die Pflanzen bei der Bewältigung der klimatischen Veränderungen auf sich allein gestellt. Unwillkürlich fragt man sich, ob einer der jährlich auf dem Frühlingsfest stattfindenden Workshops eine Klimastrategie für den Garten entwerfen könnte. Das Nachhaltigkeitsbüro der Goethe-Universität Frankfurt war dieses Jahr auf dem Frühlingsfest vertreten. außerdem gab es einen Stand zur künftigen Ringvorlesung „Sustainability“. Themen wie nachhaltiges Pflanzen und resiliente Gärten könnten in Zukunft auch den Pflanzen des Riedberger Arzneigartens zugutekommen.

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