Die ersten Wohnmodule stehen schon auf der Fläche vor dem Hangar. Viele hasten daran vorbei, versuchen noch ins überfüllte Tower-Café zu gelangen. Mehr als 400 Menschen sind am Mittwoch um 19 Uhr zur Informationsveranstaltung für die geplante Flüchtlingsunterkunft am Alten Flugplatz gekommen. Sie stehen teils dicht gedrängt, teils auch noch vor Fenster und Türen. Das Podium ist mit Vertretern des Sozialdezernats, des Umweltamts und der Diakonie besetzt, die – wie schon in der Kalbacher Sporthalle – die Flüchtlinge betreuen wird. So gelassen wie die Nidda-Fische im Aquarium dahinter ist allerdings kaum jemand. Die Stimmung ist angespannt, es gibt vereinzelt hämische Bemerkungen, als Manuela Skotnik, Referentin von Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld (CDU), zu sprechen beginnt.
Die Stimmen aus dem Publikum werden leiser, verstummen nur kurz, als Skotnik später betont: „Wir haben eine Notsituation.“ Frankfurt hat bereits jetzt mehr als 6000 Flüchtlinge, die vom Bund dem Land Hessen und von der Landesregierung der Stadt zugewiesen wurden. Das sind Flüchtlinge, deren Asylverfahren bereits läuft, die derzeit teils noch in Turnhallen untergebracht sind und schnellstens eine Bleibe brauchen. Dazu ist Frankfurt verpflichtet. „Oft erfahren wir erst am Freitag, wie viele Menschen uns am Mittwoch danach zugewiesen werden“, heißt es von der Stabsstelle Flüchtlingsmanagement im Sozialdezernat. In den vergangenen Monaten konnten 75 dringend benötigte Unterkünfte nicht realisiert werden, unter anderem wegen überzogener Mietforderungen oder baulicher Mängel.
Manuela Skotnik vom Sozialdezernat, Vertreter des Umweltamtes und der Diakonie stellten sich den Fragen der Bürger
Naturschutz und Vorbehalte
„Mit ein Grund, warum wie jetzt erst an die Öffentlichkeit gehen, ist, weil wir wissen, dass hier die Rahmenbedingungen stimmen.“ Dieser Satz sorgt für Zwischenrufe, für Beschwichtigungen andererseits. Kurz vor der Wahl hatten drei Dezernenten noch eine Fußgängerbrücke im Landschaftsschutzgebiet am Alten Flugplatz eingeweiht. Über die Baupläne wurde nicht gesprochen. Die Entscheidung für einen anderen Standort im Stadtgebiet wurde bekanntgegeben, die Entscheidung für den Standort in Kalbach/ Bonames wurde drei Tage nach der Wahl publik. Apropos Grüngürtel und Landschaftsschutz: Die Pläne sorgten besonders beim Nabu für große Vorbehalte und öffentlichen Protest. Am Mittwoch versichert man, dass die Unterkunft „in enger Abstimmung mit dem Umweltamt“ errichtet und betrieben werden soll. „Der Flugplatz ist ein Kleinod und wird es bleiben.“
Fünf der acht Wohnmodule werden auf dem Asphalt vor dem Hangar stehen, der Rest auf Wiesen nebenan, allerdings sind die Wohnungen mit Stegen verbunden, um die Natur zu schonen. Kein einziger Baum musste gefällt werden. Die Baugenehmigung für die Unterkunft wurde aufgrund der neuen Sonderregelung § 246 Baugesetzbuch erteilt, die solche Projekte deutlich erleichtert. Die Unterkunft ist bis 31.12.2018 befristet und „muss zurückgebaut werden“.
Das ist der Plan der Unterkunft vor dem Flugplatz-Hangar. Die roten Gebäude sind die Wohnmodule.
Engagement für 350 Flüchtlinge
Ein Mann aus dem Publikum ruft: „Staatliche Willkür!“ Er bekommt Beifall. Lauter ist der Applaus, als ein ehemaliger Rektor der Wöhlerschule ans Mikrophon tritt, seine bisherigen Erfahrungen aus dem Engagement für Flüchtlinge, Deutschkurs inklusive, mitteilt, und sagt: „Alle sollten so gut wie möglich an einem Strang ziehen, dann wird das was.“ Nicht weit von ihm entfernt ist ein Trainer des TSV Bonames. Der bittet ebenfalls um das Mikro und erklärt unaufgeregt: „Die Flüchtlinge können zu uns kommen. Sie können natürlich überall mitmachen.“
350 Frauen, Männer und Kinder, vor allem aus den Kriegsgebieten in Syrien und Afghanistan, werden ab Mitte Mai hier leben. Es sind Familien, die jetzt noch überwiegend in einer Notunterkunft im Gallus sind. Auch die dortige Leiterin meldet sich zu Wort, verspricht: „Sie können sich auf diese Menschen freuen.“ Da ein Teil des ehemaligen US-Militärflugplatzes in Kalbacher Gemarkung liegt und es in der Grundschule noch Kapazitäten gibt, werden mehr als 30 Kinder zwischen sechs und zehn Jahren voraussichtlich dort zur Schule gehen. Wie und wo die intensive Betreuung für die ebenfalls mindestens 30 älteren Kinder sein wird – das wird derzeit noch zwischen Ämtern und Schulen abgestimmt.
Das sagt die Polizei
Eine Dame meldet sich, erklärt, dass sie nichts gegen Flüchtlinge habe, sich dennoch große Sorgen mache. Andererseits sei auch der zwei Meter hohe Zaun um eine Unterkunft für Menschen „eine nicht so schöne Geschichte“. Am Podium herrscht kurz Stille. Dann fällt der Satz: Nicht so schön, aber Tatsache sei auch, „dass dieser Zaun der Sicherheit der Bewohner dient“. Die Asylbewerber können und dürfen sich überall frei bewegen. Auch ein Beamter des zuständigen 15. Polizeireviers wird um ein Statement gebeten. Er beginnt mit den Worten: „Ich kann Ihnen nicht sämtliche Ängste nehmen.“ In der Notunterkunft in Kalbach und im Umfeld vergleichbarer Unterkünfte habe es aber nur „eine sehr niedrige Zahl von Straftaten“ gegeben, auch gemessen am Schnitt der Straftaten im Stadtgebiet. Es waren Körperverletzungs- und kleinere Diebstahlsdelikte. Auch in der neuen Unterkunft werde die Polizei bei Bedarf „sofort intervenieren“.
Ortspolitiker sind „zuversichtlich“
Lokalpolitiker wie Ortsvorsteherin Carolin Friedrich (CDU) appellieren an Magistrat und Fachämter, dass ihre „Kompetenz und Ortskenntnis“ genutzt werde, damit möglichen Problemen früh begegnet werden kann. Sie wandte sich am Info-Abend direkt an die vielen Anwohner im Saal, sagte deutlich: „Ich bin sehr zuversichtlich.“ Sie sprach von „sehr positiven Erfahrungen“ der Zusammenarbeit mit der Diakonie Frankfurt in der Sporthalle am Martinszehnten. Anfangs gab es in der Bevölkerung Bedenken und Skepsis, zumal Vereinssport in der Halle erst mal nicht mehr möglich war. Friedrich: „Die zweite Welle aber war zum Glück die größere.“ Als immer mehr fragten: „Wie können wir diesen Menschen helfen?“
200 Ehrenamtliche hatten sich engagiert, beispielsweise auch das Familienzentrum Billabong hat einen Sprachkurs angeboten. Viele Ehrenamtliche waren am Gründonnerstag als „Dankeschön“ ins Tower- Café eingeladen. Ein Treffen, um die neuen Planungen zu besprechen, folgt.
Sylvie Berlit hat für die Diakonie bereits die Notunterkunft in Kalbach geleitet. Auch dort gab es anfangs Vorbehalte – und dann immer mehr Hilfsbereitschaft.
Bei der fürs Tower-Café zuständigen Servicegesellschaft für Frankfurt und den Grüngürtel ist man besorgt, dass es erste Absagen von Hochzeiten und anderen Großveranstaltungen gibt. Die Stadt hat bereits Unterstützung signalisiert. Dennoch lautet die Bitte an alle, die wie wir Riedberger dieses Ausflugsziel bisher so schätzten: „Kommen Sie zu uns, besuchen Sie uns weiterhin und feiern Sie hier!“ Im Café haben Erwachsene ohne Berufsabschluss oder Berufserfahrung die Möglichkeit, sich für den Beruf der Köchin, des Kochs oder der Restaurantfachkraft zu qualifizieren. Das gilt selbstverständlich auch für Flüchtlinge. Der Geschäftsführer der Servicegesellschaft, der zu Beginn noch von einem „Schock“ gesprochen hat, betont: „Relativ schnell haben wir begriffen, welche Chancen es auch gibt.“
Claudia Detsch
(Fotos: cd)