Schlagwort: Ärzteversorgung

Dem Ortsbeirat gelingt es, einen Arztsitz für den Ortsteil zu reservieren

Stethoskop

An die 23.000 Menschen leben in unserem Ortsteil. Etwa 17.000 davon am Riedberg. Vor Ort werden Allgemeinmediziner und vor allem Kinder- und Jugendärzte vermisst. Von daher sind viele Familien gezwungen, sich in den umliegenden Stadtteilen ihre Ärzte zu suchen. Doch auch da ist vielerorts Annahmestopp.

Entsprechend intensiv ist der Wunsch nach einer Verbesserung der Versorgungssituation an den Ortsbeirat herangetragen worden. Die Mitglieder des Ortsbeirates (12) haben daher in vielen Gesprächen mit Vertretern der Stadt, des Gesundheitsamtes und der Kassenärztlichen Vereinigung die Nöte der Bevölkerung vorgetragen und gemeinsam nach Lösungen gesucht.

Nicht nur in Kalbach-Riedberg ist die Situation angespannt. Auch viele andere Stadtteile bräuchten dringend weitere Arztsitze. Wenn ein Arztsitz dann doch mal genehmigt wird, muss aber auch erst noch ein Arzt gefunden werden, der den Sitz in Anspruch nimmt und vor Ort praktiziert.

Glücklicherweise waren die Bemühungen unseres Ortsbeirats um einen weiteren Arztsitz erfolgreich!

Letztes Jahr im November nahm die Ortsvorsteherin an einer Informationsveranstaltung der Kassenärztlichen Vereinigung im Gesundheitsamt Frankfurt teil. Dort wurde eine Untersuchung präsentiert, aus der hervorging, dass der Ortsbezirk 12 eine nur 37-prozentige Versorgung mit Allgemeinärzten hat.

Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung verriet aber auch, dass 2024 sieben Arztsitze in Frankfurt frei werden. Zusätzlich sagte er auch seine Unterstützung bei der Vergabe zu.

Vergleich der Versorgungsgrade

Und wie sieht es mit der Versorgung in anderen Stadtteilen aus?

Stadtteil Versorgungsgrad
Bergen-Enkheim 107 %
Berkersheim 0 %
Bonames 55 %
Dornbusch 78 %
Eckenheim 66 %
Eschersheim 119 %
Frankfurter Berg 45 %
Ginnheim 64 %
Harheim 98 %
Heddernheim 147 %
Nieder-Erlenbach 93 %
Nieder-Eschbach 121 %
Niederursel 31 %
Preungesheim 71 %

Normalerweise sollte auf etwa 1.600 Einwohner ein Hausarzt kommen (Stand 2023).

Eine Arbeitsgruppe wird aktiv

So wurde eine kleine Arbeitsgruppe aus Ortsbeiratsmitgliedern gebildet, die zum einen alle ansässigen Allgemeinärzte ansprach, ob sie Interesse an einem weiteren Arztsitz hätten, und zum anderen wurde nach Räumen für eine mögliche Neuansiedlung gesucht.

Auf der Zielgeraden

Die Hausarztpraxis Sfendonis in Kalbach zeigte sich sehr interessiert an einem weiteren Arztsitz und hat sich umgehend dafür beworben. Die Praxisinhaberin bat die Ortsvorsteherin um Begleitung zum Zulassungsausschuss im April dieses Jahres.

Die aus beiden Perspektiven vorgetragenen Argumente konnten das Entscheidungsgremium überzeugen. Mehr als 20 Bewerber hatten Interesse an diesen angekündigten Arztsitzen gezeigt. Das Kalbacher Duo konnte somit einen der heiß begehrten Arztsitze für unseren Ortsbezirk gewinnen!

Gut zu wissen

Die Hausarztpraxis Sfendonis behandelt auch Kinder (ohne Vorsorgeuntersuchungen) und hat keinen Aufnahmestopp für Einwohner des Ortsbezirks Kalbach-Riedberg!

Der Blick auf das Ganze

Auch wenn ein großer Erfolg für unseren Ortsteil errungen wurde. Die grundlegenden Probleme der ärztlichen Versorgung sind noch nicht gelöst. Aber das können auch nicht Politiker vor Ort lösen, sondern hier ist die Landes- und Bundespolitik gefordert.

Vor zwei Jahren schon schlug der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte entsprechend Alarm: Seit Jahren wird die Kinderheilkunde (Pädiatrie) finanziell aushungert (Kliniken sparen und dünnen die Zahl der Betten aus), den Ärzten werden aber gleichzeitig immer mehr Aufgaben aufbürdet. Kinderärzte arbeiten durchschnittlich weit mehr als 50 Stunden pro Woche, ohne finanziellen Ausgleich. Kein Wunder, dass der Nachwuchs für diesen Beruf nicht mehr begeistert werden kann.

Bei Facharztpraxen sieht es noch extremer aus: Mehr als zwei Drittel befinden sich im Zentrum oder in innenstadtnahen Gebieten. Dazu kommt, dass seit Jahren mehrere Tausend Medizinstudienplätze in Deutschland fehlen. Wo nicht ausgebildet wird, fehlt bald der benötigte Nachwuchs.

Strukturelle Probleme

Das Zuteilungssystem hat sich nicht die Kassenärztliche Vereinigung ausgedacht. Die Richtlinien für die Bedarfsplanung wurden Anfang der 1990er-Jahre eingeführt. Vorher hatte sich jeder qualifizierte Arzt niederlassen können, wo er wollte. „Die Politik glaubte, je mehr Ärzte da sind, desto mehr Kosten würden entstehen.“ Also sei die Zahl der Ärzte begrenzt worden. 95 % der Bürger sollten innerhalb von 20 Autominuten einen Hausarzt erreichen können, so die Vorgabe.

In einer alternden Gesellschaft ist der Bedarf an ärztlicher Unterstützung am Wachsen. Fehlendes politisches Gegensteuern beim Zuckerkonsum führt noch dazu zu kräftig ansteigenden Zahlen des metabolischen Syndroms (Adipositas, Hypertonie, Fettstoffwechselstörung, Diabetes). Folge: Die Gesundheit der Bevölkerung sinkt signifikant, die Kosten des Gesundheitssystems (eigentlich des Krankheitsreparatur-Systems) explodieren.

Unter Ärzten stehen die Hausärzte am unteren Ende der Einkommensskala. Verschreibt der Hausarzt angeblich zu teure Medikamente, drohen ihm Strafzahlungen. Ständig neue Vorgaben erforderten einen immensen finanziellen und zeitlichen Aufwand.

Ein Hausarzt arbeite im Schnitt 50 bis 60 Stunden in der Woche. Dazu noch Pflichtdienste im ärztlichen Bereitschaftsdienst. Junge Hausärzte arbeiteten allenfalls in Teilzeit. Das bedeutet, dass man für einen Kassensitz bald zwei Ärzte braucht.

Fazit

Es wird Zeit, dass wir die Probleme anpacken!


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Der Ärztemangel nimmt erst richtig an Fahrt auf

Stethoskop

Jürgen Burdenski ist seit über 20 Jahren Hausarzt in Preungesheim. Außerdem ist er Vorsitzender des Kassenvereinbezirks Frankfurt und Mitglied des Hauptausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung. Daher wurde er vom Ortsbeirat 10 (Berkersheim, Bonames, Eckenheim, Frankfurter Berg, Preungesheim) eingeladen, um über die Versorgung der Stadtteile mit ärztlichen Dienstleistungen zu berichten.

Dr. Burdenski befürchtet, dass wir „eine deutliche Verschlechterung der Lage erleben werden“. In Eckenheim gibt es derzeit nur 4 Hausärzte, wobei einer von ihnen bereits 73 Jahre alt ist. In Berkersheim gibt es sogar überhaupt keinen Hausarzt mehr. Im Vergleich dazu haben wir hier am Riedberg noch 2 Hausärzte, was aber bei geschätzten 16.000 Einwohnern auch zu wenig ist.

Der Schuldige ist schnell ausgemacht. Die Stadt verweist auf die Kassenärztliche Vereinigung Hessen, die festlegt, wie viele Ärzte sich in einem Gebiet ansiedeln dürfen. Normalerweise sollte auf 1.600 Einwohner ein Hausarzt kommen, doch in den nordöstlichen Stadtbezirken wird selbst in dem am besten versorgten Stadtteil Preungesheim gerade einmal ein Versorgungsgrad von 76 % erreicht.

Dass viele Stadtteile unterversorgt sind, wird von der Politik stillschweigend hingenommen. Gerne verweist man darauf, dass der Bezirk Frankfurt derzeit sogar eher überversorgt ist, weil sich eine Vielzahl von Ärzten in der Innenstadt ballen (dort herrscht ein Versorgungsgrad von 500 %).

Es wird erwartet, dass die Menschen aus den unterversorgten Gebieten entweder mit dem Auto oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt zu den dort ansässigen Ärzten fahren, um sich behandeln zu lassen.

Doch allein auf die Kassenärztliche Vereinigung (KV) zu schimpfen, ist zu kurz gegriffen. Dieses verrückte System ist nicht auf dem Gras der KV gewachsen. Politische Entscheidungen, die Anfang der 1990er Jahre getroffen wurden, führten zu Richtlinien für die Bedarfsplanung. Die freie Niederlassung qualifizierter Ärzte wurde aufgehoben, da man befürchtete, durch mehr Ärzte auch mehr Kosten für das Gesundheitswesen zu erzeugen.

Daher wurde die Zahl der Ärzte begrenzt. Obwohl inzwischen Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Entscheidungen entstanden ist, hat sich bisher kein Gesundheitsminister an eine Änderung des Systems herangewagt.

Am Riedberg zum Beispiel, wurde zum 30.09.2020 das Ärztezentrum geschlossen. Unter dem Arbeitstitel “Strategische Neuausrichtung” wurde das Medizinische Versorgungszentrum im damals jüngsten Stadtteil einfach liquidiert.

Am Riedberg leben fast 5.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. Die nächstgelegenen Kinderärzte sind aber erst im Mertonviertel zu finden. Auch die gynäkologische Versorgung lässt Wünsche offen, denn auch die findet erst im Mertonviertel eine Vertreterin ihre Kunst.

Obwohl schon 2016 auf das Thema Unterversorgung deutlich hingewiesen wurde, hat sich in den letzten 7 Jahren nicht wirklich etwas zum Besseren gewandelt. In Deutschland fehlen mindestens 5000 Studienplätze für Medizin. Dies wurde sogar vom derzeitigen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bemängelt. In Konsequenz fehlen jedes Jahr zwischen 3.000 und 6.000 Studienplätze im Fach Humanmedizin.

In vielen Stadtteilen gibt es darüber hinaus noch einen großen Anteil an Ärzten, die über 60 Jahre alt sind und die in den nächsten Jahren sukzessive in Rente gehen werden. Dem stehen auf der anderen Seite die Babyboomer gegenüber, die jetzt ebenfalls die 60 erreicht haben, auch sukzessive in Rente gehen und altersbedingt einen erhöhten Bedarf an ärztlicher Hilfe haben.

Keine guten Aussichten für die kommenden Jahre und Jahrzehnte. Es wird Zeit für eine Neuorientierung, damit rechtzeitig die Weichen gestellt werden, um die Zukunft zu bewältigen.


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Kassenärztliche Vereinigungen – ein Saurier aus der NS-Zeit

Stethoskop

Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Deutschland die Krankenversicherungspflicht für Arbeiter eingeführt. Die Krankenkassen hatten damals ein Vertragsmonopol. Zur Abwendung eines Ärzte-Streiks 1913 griff die Regierung ein. Sie vermittelte die Anfänge der gemeinsamen Selbstverwaltung von Krankenkassen und Kassenärzten (später: Reichsausschuss der Ärzte und Krankenkassen).

Durch die Verordnung über die Kassenärztliche Vereinigung Deutschlands vom 1933 wurden die regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen abgeschafft und eine vom NS-Staat gelenkte einheitlich-deutsche Kassenärztliche Vereinigung gebildet, die der NS-Diktatur im Rahmen der Gleichschaltungsgesetze die juristischen Machtmittel in die Hände gaben, ihr Regime aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen wurden damit von einer Interessenvertretung der Ärzte in ein parastaatliches Exekutivorgan umgewandelt.

Nach 1945 wurde dieser Status beibehalten. Die Kassenärzte haben sich somit durch die Gründung der Kassenärztlichen Vereinigungen einerseits mehr Rechte (Selbstverwaltung, Kollektivverträge, Aushandlung von Honorarvereinbarungen und Zulassungsbestimmungen), andererseits jedoch auch Pflichten (vor allem den „Sicherstellungsauftrag“) gegen die anfängliche Übermacht der Krankenkassen erkämpft. Im Gegenzug mussten sie auf das Streikrecht verzichten.

In der gesundheitspolitischen Diskussion werden die kassenärztlichen Vereinigungen vonseiten der Politik kritisiert: sie seien „Wettbewerb verhindernde Monopole und Kartelle“. Es wird bemängelt, dass einzelne KVen immer mehr die Interessen des Berufsstandes vertreten und so der Sicherstellungsauftrag einseitig wahrgenommen wird.

Ärztliche Unterversorgung am Riedberg

Schon 2016 wurde in der Presse berichtet, dass sich die Beschwerden über zu wenig Ärzte auf dem Riedberg häuften. Trotzdem plant die Kassenärztliche Vereinigung Hessen keine weiteren Ärzte zuzulassen. Weil die Stadt Frankfurt insgesamt überversorgt ist.

„Stellen sie sich vor, sie sind auf den Riedberg gezogen und brauchen einen Hausarzt. Am besten direkt im Stadtteil. Das könnte sich schwierig gestalten – auf die rund 12.000 Bewohner in Frankfurts jüngstem Stadtteil kommen nämlich gerade einmal 2 Hausärzte. Und die haben viel zu tun.“ so schrieb die Presse damals.

Und was hat sich seitdem geändert? Es sind weitere 4.000 Bewohner auf den Riedberg gezogen. Das Fachärztezentrum (FÄZ), das zur Stiftung Hospital zum Heiligen Geist gehört, stand 2020 vor dem Aus. Das FÄZ versprach einen nahtlosen Übergang, um die ärztliche Versorgung in Kalbach-Riedberg zu garantieren.

Dort sind aktuell 3 Psychotherapeuten sowie 3 Gynäkologen tätig. Es gibt aber weder einen Neurologen noch einen Kinderarzt im Stadtteil. Die Vertragsarztsitze, die die Kassenärztliche Vereinigung vergibt, orientieren sich an der Einwohnerzahl der Stadt. Dabei wird jedoch auf das gesamte Stadtgebiet geschaut und keine Rücksicht auf die Versorgung in den einzelnen Stadtteilen genommen.

Die Kinderbeauftragte Eva Maria Lang, Ortsbeirat in Kalbach-Riedberg, hat daher einen Antrag an den Magistrat gerichtet, mit der Bitte, einen finanziellen Anreiz zu bieten, damit der Ortsteil für Kinderärzte attraktiver wird – etwa durch Mietzuschüsse oder durch eine Nutzungsänderung bestimmter Flächen, um die Einrichtung einer Praxis zu ermöglichen.

Ein Versuch, an der Allmacht der Kassenärztliche Vereinigung vorbei, die Versorgungsnot in unserem Ortsteil zu heilen.


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