Schlagwort: Bildung

Neues vom Programm „Bildungskommune“

Kalbach-Riedberg erörtert, wie bürgernahe Bildung funktioniert

Neue Erkenntnisse vom Programm „Bildungskommune“ im Stadtteil Kalbach-Riedberg öffnen den Raum für Fragen und Anregungen. Das durch den Europäischen Sozialfonds geförderte Projekt, das 2023 angelaufen war, verfolgt das Ziel, Bildung für alle zugänglich zu machen und dabei gezielt auf die verschiedenen Interessen und Bedürfnisse der Frankfurter Bürger und ihrer Stadtteile einzugehen. Wie sich die Kalbacher und Riedberger Bildung vorstellen, an welchen Orten sie stattfindet und wo Entwicklungsbedarf besteht, erörterten Vertreter verschiedener Initiativen am Freitag, 5. September, gemeinsam mit Herrn Dr. Elard Apel, Stabsstelle „Pädagogische Grundsatzplanung“ des Stadtschulamtes, und der wissenschaftlichen Referentin Carola Schlögl-Ngum bei der Veranstaltung „Tür auf für Bildung“ im Regionalen Beratungs- und Förderzentrum Nord. Bereits im Zeitraum zwischen Mai und Juli dieses Jahres hatten Passanten mithilfe von interaktiven Karten, Stellwänden und Abstimmungssäulen in den mobilen Stadtteillaboren ihre Meinung zu bestehenden Angeboten sowie Verbesserungsvorschläge zusammengetragen.

Tür auf für Bildung in Kalbach-Riedberg

In den Laboren hatte sich gezeigt, dass vor allem die Riedberger den ansässigen Campus sowie die zugehörige Universitätsbibliothek als bedeutende Bildungsstätte im Stadtteil erachten. Als wichtiges Bildungsereignis wurde in diesem Zusammenhang die „Night of Science“ genannt, die auch vielen Teilnehmern von „Tür auf für Bildung“ ein Begriff war. Blieben Vertreter von Schulen der Abendveranstaltung auffallend fern, war der Bildungsklassiker dennoch ein wichtiges Thema, sowohl in den Stadtteillaboren als auch bei der Infoveranstaltung. Umtriebig wurde diskutiert, was es mit dem Stadtteil mache, wenn Schüler diesen beim Wechsel auf weiterführende Schulen verlassen müssen. In Kalbach-Riedberg gebe es zu wenige weiterführende Schulangebote, so der Konsens.

Dabei blicken die Kalbacher und Riedberger bei der Frage, wie sie Bildung definieren, weit über den Tellerrand. Urban gardening, therapeutisches Reiten und die Naturlotsen am Alten Flughafen durften auf der interaktiven Klebezettelkarte im Förderzentrum nicht fehlen. Auf dieser versammelten sich außerdem verschiedene spirituelle Orte und nicht zuletzt ein 3D-Drucker. Die Stadtteillabore hatten als wichtige Alternative zu herkömmlichen Bildungsstätten das Familienzentrum Billabong ausgemacht, wo Besucher unter anderem ihr Englisch auffrischen, sich im Schach üben oder digitale Kenntnisse aufbessern können. Da Bildung nicht allein auf das Trimmen von Gehirnzellen beschränkt ist, tragen auch Sportangebote ihren Teil zu geistiger Reifung, persönlicher Ein- und sozialer Weitsicht bei, wie Bürger bestätigten. So findet auf dem Fußballplatz im Riedberger Westen oder der Calisthenics-Anlage nahe dem Uni Campus „gemeinschaftliches Lernen“ statt.

Viele Kinder und Menschen mittleren Alters

Dass Demokratie Bildung braucht, ist eine Binsenwahrheit. Dass viele Bildungsträger überlastet und schlecht ausgestattet sind, legte jedoch erst im vergangenen Jahr der Nationale Bildungsbericht nahe: Immer mehr Schulabbrecher und immer weniger Fachkräfte lassen den Zustand des deutschen Bildungssystems in einem besorgniserregenden Licht erscheinen. Initiativen wie das Projekt „Bildungskommune“ können gegensteuern und sich lokal mit den Bürgern vernetzen, verstehen, woran es vor Ort hapert und Anwohner einbeziehen. Andreas Woitun, Redakteur von MainRiedberg und selbst Besucher von „Tür auf für Bildung“, erwähnte das Haus des Jugendrechts für straffällig gewordene Heranwachsende und deutete im selben Atemzug an, dass Bildung auch dem Zweck diene, dass diese dort gar nicht erst aufkreuzen müssten.

Dabei hängt die Antwort auf die Frage, welche Bildungsmittel und -Schauplätze sich als gute Lebensratgeber erweisen, auch mit der sozio-ökonomischen und demografischen Zusammensetzung der jeweiligen Stadtteilbevölkerung zusammen. Um die Bürger auf ihren individuellen Bildungswegen begleiten zu können, fragte das Projekt „Bildungskommune“, wer die Menschen sind, die die örtlichen Bildungsangebote in Anspruch nehmen oder selbst welche beisteuern. Neben dem teils kritisch kommentierten Eindruck, beim Thema Bildung gehe es oft um einkommensstarke Kalbacher und Riedberger, zeigten die statistischen Erhebungen des Programms, dass im Stadtteil vor allem zwei Altersgruppen prominent sind: Kinder und Menschen mittleren Alters.

Wunsch nach mehr Räumlichkeiten und Angeboten für Jugendliche

Was heißt das für die Bildungsarbeit? Tatsächlich fordern viele Bürger mehr Orte für die Zusammenkunft nicht von Kindern, sondern von Jugendlichen. Mutmaßlich richtet sich der Blick der Kalbacher und Riedberger in die Zukunft, denn auch der eigene Nachwuchs kommt irgendwann ins Jugendalter, so die Überlegung am Freitagabend. Dabei sollen nicht nur Jugendzentren Lernmöglichkeiten für Gleichaltrige schaffen. In den Stadtteillaboren war deutlich geworden, dass es zum Zweck des intergenerationellen Lernens auch mehr Orte für gemeinsame Treffen von Jung und Alt geben solle. Senioren hatten sich ihrerseits einen besseren Zugang zu nahegelegenen Sportangeboten (Marie-Curie-Schwimmbad) sowie seniorengerechte Busse gewünscht. Sie verdeutlichten damit, dass Bildung auch eine Frage der Mobilität ist.

Am Freitagabend kam außerdem ein für den Stadtteil spezifisches Manko zur Sprache: In Kalbach-Riedberg gibt es kein eigenes Bürgerhaus. Der in Experteninterviews geäußerte Wunsch vieler Kalbacher und Riedberger nach mehr Räumlichkeiten für Veranstaltungen und Vereine erfuhr am Freitagabend zustimmendes Nicken. Bei „Tür auf für Bildung“ ergänzten Teilnehmer, nicht nur mehr Innenräume würden benötigt. Vor allem für junge Menschen sollten mehr Orte zum Lernen im Freien geschaffen werden. Das Handy, das aktuell aus zahlreichen Schulen verbannt wird, hatte in den Stadtteillaboren eine Aufwertung erfahren: Sollte es ein Bildungsportal geben, dann bitte für mobile Endgeräte optimiert und so auch unterwegs abrufbar.

So geht es weiter

Künftige Aktionstage im Oktober stehen bereits. Das interkulturelle Erntedankfest am 5. Oktober soll dem Wunsch nach mehr Bilingualität und interkultureller Vernetzung nachkommen. Das für Mitte Oktober geplante Gesprächskonzert mit den Bridges Ensembles reizt nicht nur die Ohren, sondern erläutert auch Hintergründe zur vorgetragenen Musik. Das Projekt „Bildungskommune“ selbst läuft noch bis Dezember 2027. Nach den ersten öffentlichen Aktionen und Reflexionsrunden ist für die kommenden Monate die Erarbeitung konkreter Maßnahmen geplant. Weitere Infos gibt es auf der Website https://frankfurt.de/bildungskommune/. Die Ergebnisse der Stadtteillabore lassen sich unter https://frankfurt.de/bildungskommune/bibliothek/dokumentationen/stadtteillabore abrufen.

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Homeschooling so effektiv wie Sommerferien

Wie effektiv lernen Kinder und Jugendliche beim Distanzunterricht? Eine Studie von Forschern der Goethe-Universität gibt für den ersten Lockdown eine ernüchternde Antwort. Später scheint sich die Situation etwas verbessert zu haben.

Trotz Distanzunterricht und Homeschooling während der Lockdowns sind bei vielen Schülerinnen und Schülern enorme Leistungsdefizite entstanden. Das zeigt eine Studie aus der Pädagogischen Psychologie an der Goethe-Universität. Forscherinnen und Forscher haben aus wissenschaftlichen Datenbanken weltweit jene Studien ausgewertet, in denen die Auswirkungen der coronabedingten Schulschließungen auf die Leistungen und Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern berechnet wurden.

„Wir haben nur forschungsmethodisch hochwertige Publikationen berücksichtigt, die eindeutige Rückschlüsse auf die Wirkung coronabedingter Schulschließungen auf den Kompetenzerwerb von Schülerinnen und Schülern erlauben und geeignete Tests zur Leistungs- oder Kompetenzmessung einsetzten“, erklärt Prof. Dr. Andreas Frey, der an der Goethe-Universität Pädagogische Psychologie mit Schwerpunkt Beratung, Diagnostik und Evaluation lehrt und einer der Verfasser der Studie ist. Dabei habe sich gezeigt, dass der Kompetenzerwerb während der Schulschließungen im Vergleich zu Präsenzbedingungen deutlich geringer ausfiel.

Kinder aus sozial schwachen Familien verlieren

„Die durchschnittliche Kompetenzentwicklung während der Schulschließungen im Frühjahr 2020 ist als Stagnation mit Tendenz zu Kompetenzeinbußen zu bezeichnen und liegt damit im Bereich der Effekte von Sommerferien“, sagt Frey. Besonders stark zu beobachten seien Kompetenzeinbußen bei Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Elternhäusern. „Hiermit sind die bisherigen Vermutungen durch empirische Evidenz belegt: Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich während der ersten coronabedingten Schulschließungen noch weiter geöffnet“, schlussfolgert Frey.

Allerdings gebe es auch erste Anhaltspunkte dafür, dass die Effekte der späteren Schulschließungen ab Winter 2020/21 nicht zwangsläufig ebenso drastisch ausfallen müssen. Inzwischen habe sich die Online-Lehre vielerorts verbessert, dies scheint die negativen Effekte abfedern zu können.

Foto:  Archiv

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„Unsere Schulen stecken in der Krise“

Unser Schulmodell ist nicht mehr zeitgemäß – davon sind die beiden Riedberger Soziaplädagog*innen Naomi Wille und Hendrik Lang überzeugt. In einem Meinungsbeitrag für MAINRiedberg beschreiben sie, warum Corona auch eine einmalige Chance für die Zukunft der Bildung ist.

Unsere Schulen stecken in der Krise. Das war bereits vor Corona so und daran hat Corona nichts geändert. Durch die Einschränkungen aufgrund des Corona-Virus hat sich nun jedoch der Fokus auf das Thema geändert. Als Soziaplädagog*innen der frühkindlichen Bildung setzen wir uns mit dem Thema Lernen an einer ganz besonders sensiblen auseinander: dem Beginn. Das lebenslange Lernen beginnt mit der Geburt, die Kita ist in der Regel die erste institutionelle Bildungsinstanz. Als Wegbereiter*innen für den weiteren Bildungsverlauf ist es wichtig, sich ebenso mit dem Lernen in der späteren Schule auseinanderzusetzen.

Die Wissenschaft weiß bereits, dass unser Schulmodell nicht zeitgemäß ist. Die Uhrzeit des Schulbeginns und die Länge der Unterrichtseinheiten entsprechen nicht den Entwicklungsbedürfnissen der Schüler*innen, Prüfungen, wie wir sie durchführen, bilden nicht immer die korrekte Leistung ab und setzen Schüler*innen zunehmend unter Druck, Frontalunterricht führt nicht zu nachhaltigem Lernen bei den Schüler*innen. Das weiß die Wissenschaft bereits seit langem, die Politik scheint sich langsam dahingehend zu öffnen. Das war vor Corona.

Homeschooling macht Probleme sichtbar

Doch Corona macht alles anders, auch in der Schule. Von heute auf morgen wurden die Schulen geschlossen und wir mussten uns nach neuen Lern- und Lehrformen umschauen. Das Homeschooling wurde geboren – mit starken qualitativen Unterschieden von Schule zu Schule und von Lehrer*in zu Lehrer*in. Die Familien standen plötzlich vor großen Problemen, nicht nur, was die Schule betrifft. Die Diskussion darüber, wie wir die Schüler*innen schnellstmöglich wieder in die Schule bekommen, bestimmte den Diskurs der Bildungspolitik. Wie die Schule aussehen soll, in die die Schüler*innen zurückkehren sollen, wird nicht diskutiert. Dabei birgt die Situation eine große Chance.

Corona ist eine große Chance

Denn: Corona macht alles anders. Unsere Schulform wurde von heute auf morgen komplett umgestaltet und steht nun vor einem Neuanfang. Also Tabula rasa. Wir haben die einmalige Chance, die Schule, in der wir lernen wollen, neuzugestalten. Homeschooling verlangt von den Schüler*innen ein hohes Maß an Verantwortung ab. Dadurch erfahren sie Selbstwirksamkeit, was wiederum zu Lernfreude führt. Das sind wichtige Kompetenzen, die wir fördern sollten. Sie gelten als Schlüsselkompetenzen für Resilienz und als Erfolgsfaktoren im späteren Berufsleben. Doch anstatt unseren Schüler*innen das Vertrauen und die Möglichkeit zu geben, sich auch in der Krise auf ihr späteres Leben vorbereiten zu können, diskutieren wir darüber, wie wir sie am besten wieder in das alte Schulmodell zurückbringen können. Damit wir dann wieder darüber diskutieren können, dass unser Schulmodell nicht zeitgemäß ist.

Medienkompetenz ist der Schlüssel

Homeschooling findet, wie der Name es bereits suggeriert, zu Hause statt. Mit Medien, welche zuvor kaum oder gar nicht im Unterricht eingesetzt wurden. Der Umgang mit den Medien fördert die Medienkompetenz. Ebenfalls eine Schlüsselkompetenz für einen erfolgreichen Berufseinstieg. Doch Medienkompetenz vermitteln können nur medienkompetente Lehrer*innen – und hier liegt das Problem. Medien im Unterricht werden von den Lehrkräften häufig abgelehnt. Die Hoffnung lag auf der nachrückenden Generation, doch auch diese erkennt keinen Mehrwert am Medieneinsatz in der Bildung. Die Ausbildung der Lehrkräfte berücksichtigt es ebenso nicht ausreichend.

Wir brauchen eine Bildungs-Diskussion

Die derzeitige Situation in den Schulen ist eine große Herausforderung. Sie birgt jedoch auch eine große Chance. Wir müssen die Diskussion darüber, wie die Schule gestaltet werden soll, mit der Diskussion, wie die Schulen wieder geöffnet werden können, verbinden. Corona macht alles anders. Nun sind wir gefragt, die Dinge ebenfalls etwas anders zu machen als zuvor.

Foto: Taylor Wilcox/ Unsplash

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Wie sinnvoll sind Lern-Apps?

Bildung und Unterricht haben sich in der Pandemie stark verändert. Das Kinderzimmer ersetzt den Klassenraum, der Bildschirm die Lehrkraft. Eine Studie der Goethe-Universität soll jetzt klären, wie sinnvoll Lern-Apps sind. Hierfür werden noch Teilnehmerinnen und Teilnehmer gesucht.

Die Corona-Krise hat auch die Bildungslandschaft vor neue Herausforderungen gestellt, digitale Methoden der Vermittlung und des Lernens haben an Bedeutung gewonnen. Doch wie sinnvoll sind die unterschiedlichen Ansätze? Im Rahmen des Homeschoolings werden Lernapps empfohlen, die teilweise als Belohnung kurze Videospiele einsetzen. Können sich Schülerinnen und Schüler die Vokabeln dadurch besser merken? Oder führt eine solche Software auch zu unerwünschten Abhängigkeiten?

Ein Team von DIPF – Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation und Goethe-Universität Frankfurt möchte den Wirkungen des App-basierten Vokabellernens auf den Grund gehen. Insbesondere werden die Effekte auf die Motivation sowie auf die Lernleistung der Kinder untersucht. Die Studie mit dem Titel MoCoLA entsteht im Rahmen zweier Masterarbeiten bei Prof. Dr. Garvin Brod in der Pädagogischen Psychologie.

Gesucht werden ab sofort Kinder, die derzeit in die 4. bis 6. Klasse gehen. Sie sollten über gute Deutschkenntnisse verfügen. Als Belohnung locken Buchgutscheine und eine Verlosung. 

Die Anmeldung ist möglich unter https://redcap.link/mocola.info.

Foto: Goethe-Universität

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