„Unsere Schulen stecken in der Krise“

Unser Schulmodell ist nicht mehr zeitgemäß – davon sind die beiden Riedberger Soziaplädagog*innen Naomi Wille und Hendrik Lang überzeugt. In einem Meinungsbeitrag für MAINRiedberg beschreiben sie, warum Corona auch eine einmalige Chance für die Zukunft der Bildung ist.

Unsere Schulen stecken in der Krise. Das war bereits vor Corona so und daran hat Corona nichts geändert. Durch die Einschränkungen aufgrund des Corona-Virus hat sich nun jedoch der Fokus auf das Thema geändert. Als Soziaplädagog*innen der frühkindlichen Bildung setzen wir uns mit dem Thema Lernen an einer ganz besonders sensiblen auseinander: dem Beginn. Das lebenslange Lernen beginnt mit der Geburt, die Kita ist in der Regel die erste institutionelle Bildungsinstanz. Als Wegbereiter*innen für den weiteren Bildungsverlauf ist es wichtig, sich ebenso mit dem Lernen in der späteren Schule auseinanderzusetzen.

Die Wissenschaft weiß bereits, dass unser Schulmodell nicht zeitgemäß ist. Die Uhrzeit des Schulbeginns und die Länge der Unterrichtseinheiten entsprechen nicht den Entwicklungsbedürfnissen der Schüler*innen, Prüfungen, wie wir sie durchführen, bilden nicht immer die korrekte Leistung ab und setzen Schüler*innen zunehmend unter Druck, Frontalunterricht führt nicht zu nachhaltigem Lernen bei den Schüler*innen. Das weiß die Wissenschaft bereits seit langem, die Politik scheint sich langsam dahingehend zu öffnen. Das war vor Corona.

Homeschooling macht Probleme sichtbar

Doch Corona macht alles anders, auch in der Schule. Von heute auf morgen wurden die Schulen geschlossen und wir mussten uns nach neuen Lern- und Lehrformen umschauen. Das Homeschooling wurde geboren – mit starken qualitativen Unterschieden von Schule zu Schule und von Lehrer*in zu Lehrer*in. Die Familien standen plötzlich vor großen Problemen, nicht nur, was die Schule betrifft. Die Diskussion darüber, wie wir die Schüler*innen schnellstmöglich wieder in die Schule bekommen, bestimmte den Diskurs der Bildungspolitik. Wie die Schule aussehen soll, in die die Schüler*innen zurückkehren sollen, wird nicht diskutiert. Dabei birgt die Situation eine große Chance.

Corona ist eine große Chance

Denn: Corona macht alles anders. Unsere Schulform wurde von heute auf morgen komplett umgestaltet und steht nun vor einem Neuanfang. Also Tabula rasa. Wir haben die einmalige Chance, die Schule, in der wir lernen wollen, neuzugestalten. Homeschooling verlangt von den Schüler*innen ein hohes Maß an Verantwortung ab. Dadurch erfahren sie Selbstwirksamkeit, was wiederum zu Lernfreude führt. Das sind wichtige Kompetenzen, die wir fördern sollten. Sie gelten als Schlüsselkompetenzen für Resilienz und als Erfolgsfaktoren im späteren Berufsleben. Doch anstatt unseren Schüler*innen das Vertrauen und die Möglichkeit zu geben, sich auch in der Krise auf ihr späteres Leben vorbereiten zu können, diskutieren wir darüber, wie wir sie am besten wieder in das alte Schulmodell zurückbringen können. Damit wir dann wieder darüber diskutieren können, dass unser Schulmodell nicht zeitgemäß ist.

Medienkompetenz ist der Schlüssel

Homeschooling findet, wie der Name es bereits suggeriert, zu Hause statt. Mit Medien, welche zuvor kaum oder gar nicht im Unterricht eingesetzt wurden. Der Umgang mit den Medien fördert die Medienkompetenz. Ebenfalls eine Schlüsselkompetenz für einen erfolgreichen Berufseinstieg. Doch Medienkompetenz vermitteln können nur medienkompetente Lehrer*innen – und hier liegt das Problem. Medien im Unterricht werden von den Lehrkräften häufig abgelehnt. Die Hoffnung lag auf der nachrückenden Generation, doch auch diese erkennt keinen Mehrwert am Medieneinsatz in der Bildung. Die Ausbildung der Lehrkräfte berücksichtigt es ebenso nicht ausreichend.

Wir brauchen eine Bildungs-Diskussion

Die derzeitige Situation in den Schulen ist eine große Herausforderung. Sie birgt jedoch auch eine große Chance. Wir müssen die Diskussion darüber, wie die Schule gestaltet werden soll, mit der Diskussion, wie die Schulen wieder geöffnet werden können, verbinden. Corona macht alles anders. Nun sind wir gefragt, die Dinge ebenfalls etwas anders zu machen als zuvor.

Foto: Taylor Wilcox/ Unsplash

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