Vor über 85 Jahren wurde in Oberursel ein Institut für Bienenkunde gegründet. Schon damals hatten weitsichtige Zeitgenossen geahnt, dass diese Insekten für unser Überleben auf diesem Planeten einen wichtigen Indikator darstellen. Damals hatte die »Bösartige (Gutartige) Faulbrut« die Sterblichkeit der Bienenvölker drastisch erhöht. Nur durch systematische Forschung konnte sie in der Folgezeit wirksam bekämpft werden.
Die Forschung entwickelt sich weiter. Deswegen waren die während der 1950er und 1960er-Jahre neu errichteten Gebäude im Karl-von-Frisch-Weg 2 am Nordrand von Oberursel trotz aller An- und Umbauten für die Ansprüche einer zeitgemäßen Forschung und Bienenhaltung nicht länger ausreichend.
Eine wunderbare Partnerschaft zwischen der Polytechnischen Gesellschaft und der Goethe-Universität ermöglichte einen zügigen Neubau des Bieneninstituts in der Ebertstraße 39 in Bommersheim. Für Neubauten ganz ungewöhnlich die einhellige Zustimmung und Unterstützung der Stadtgesellschaft für dieses zukunftsweisende Gebäude.
Architekt T. Schweizer, Dr. Mosbrugger, Präsident Dr. Schleiff, Dr. B. Grünewald (v.l.n.r)
Da die Polytechnische Gesellschaft nicht gezwungen war, über öffentliche Ausschreibung dem billigsten Angebot den Zuschlag zu geben, konnte in Ruhe ein Architekt und eine Reihe von Firmen gefunden werden, die in ihrer besonderen Komposition diesen Neubau in Fertigbauweise errichteten. In dem Architekturwettbewerb 2020 mit 72 teilnehmenden Büros hatte der Entwurf der Arbeitsgemeinschaft Heller/Schweizer aus Frankfurt und Heidelberg gewonnen.
Im April 2021 lag die Baugenehmigung vor. Noch im selben Jahr wurde der 1. Bauabschnitt begonnen. Grundsteinlegung war im Juli 2022. Im April 2023 war dann der Rohbau abgeschlossen und die Holzbaumontage konnte beginnen. Im September begann der 7. Bauabschnitt mit der Montage der Haustechnik. Im Oktober 2023 konnte nun bereits das Richtfest gefeiert werden. Im Herbst 2024 soll der Innenausbau fertiggestellt werden, sodass im Jahr 2025 das Gebäude bezogen werden kann.
Obwohl ein Neubau für die Nachbarn immer mit Lärm und Dreck verbunden ist, hielt sich das bei diesem Gebäude in engen Grenzen, da viele Bauteile beim Hersteller vorgefertigt wurden. Die übersichtlichen Gebäude passen sich trotz der Baumasse, die für das Institut erforderlich ist, der Umgebung gut an.
Das Institut für Bienenkunde wird zum größten Teil als reiner Holzbau ausgeführt. Die Nachhaltigkeit des Gesamtgebäudes wird durch eine Photovoltaik-Anlage unterstützt. Das Niederschlagswasser wird in einer Zisterne gesammelt. Regen, der auf versiegelte Flächen fällt, wird über natürliches Gefälle in die Umgebung entwässert. Heizwärme entsteht durch eine Wärmepumpe und vortemperierte Zuluft.
Das Gebäude verbindet ein zentrales Foyer, das flexibel nutzbar ist, z. B. für verschiedene Veranstaltungsformen und auch für den Honigverkauf. Von dort geht es in Unterrichts- und Seminarräume, die Bibliothek, den Forschungstrakt mit dem Hightech-Flugraum, der Verwaltung, der Bienenhaltung sowie den Sozialräumen. Durch diese Lobby werden Besucher auch in den Lehrgarten geleitet. Holz bzw. Holzwerkstoffe und ein ausgeklügeltes Lichtkonzept prägen die Atmosphäre im Inneren. Die leicht verständliche Aufteilung, viel Tageslicht und Blickbeziehungen in die Umgebung bieten hohe Aufenthaltsqualität. Auch die gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr ist ein Standortvorteil.
Den Architekten ist es gelungen, traditionelle Baukunst und zukunftsweisende Innovationen zu verbinden. Offenheit und gute Kooperation prägten dabei den Planungsprozess, bei dem Auftraggeber, Bauherr und die Stadt Oberursel besonders im Mittelpunkt standen.
Weiterführende Links
Die Polytechnische Gesellschaft
wurde in Frankfurt am Main 1816 gegründet – ein Kind der Aufklärung – und ist seitdem für Bildung und Ausbildung in der Stadt aktiv und engagiert sich sehr für soziale und kulturelle Themen. Inzwischen 7 Tochterinstitute, von denen eins das Institut für Bienenkunde ist, arbeiten in diesen Bereichen. Dazu zählt auch die große Stiftung Polytechnische Gesellschaft, die aus dem Verkaufserlös der 1822 gegründeten Frankfurter Sparkasse entstanden ist. Der Verein selbst mit rund 350 Mitgliedern organisiert darüber hinaus eine öffentliche Vortragsreihe mit langer Tradition, vergibt einen Kammermusikpreis und fördert außergewöhnliche lokale Projekte. Sein Logo ist ein Bienenkorb.
Das Institut für Bienenkunde
Seit über 80 Jahren hat es seinen Sitz in Oberursel. Vor Ort und in der Region ist es durch Führungen für Kinder und Familien, aber auch durch den Honigverkauf beliebt. Seine internationale Bekanntheit in der biologischen Forschung wird durch eine Anbindung an die Goethe-Universität gewährleistet. Der Institutsleiter, Prof. Dr. Bernd Grünewald, hat zugleich am Riedberg den Stiftungslehrstuhl der Polytechnischen Gesellschaft inne, die außerdem für den Betrieb des Instituts in Oberursel aufkommt.
Nachtrag: 30.10.23: Von einer aufmerksamen Leserin erreicht uns der Hinweis, dass die Lage des Bieneninstituts in der Ebertstraße eher zu Oberursel Mitte gehört und nicht zu Bommersheim.