Thüringen, ein Facebook-Post und eine emotionale Rede

Es war alles vorbereitet für einen feierlichen Neujahrsempfang. Die Tische in der Alten Turnhalle in Kalbach waren geschmückt, OB Peter Feldmann, zahlreiche Stadtverordnete und Vertreter der Schulen und Vereine im Stadtteil hatten sich angesagt. Vorher sollte am vergangenen Freitag noch eine verkürzte Ortsbeiratssitzung stattfinden, mit einem gemeinsamen Antrag der Ortsbeirats-Mehrheit für Tempo 30 auf den Hauptverkehrsstraßen am Riedberg. Der Abend indes begann mit einer Auseinandersetzung, die die große Bundespolitik in den Frankfurter Ortsbezirk Kalbach/ Riedberg trug.

Die SPD hatte im Vorfeld per Pressemitteilung und Facebook-Post Thorsten Lieb, Ortsbeirats-Mitglied und Chef der Frankfurter FDP, scharf dafür kritisiert, dass er kurz nach der Thüringen-Wahl seinem Parteikollegen Thomas Kemmerich zum Amt des Ministerpräsidenten gratulierte. Damit habe er sich nicht von Faschisten und Nazis distanziert, sondern deren „Unterstützung billigend in Kauf“ genommen. FDP-Mann Kemmerich war bekanntlich durch die Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden und trat nach 24 Stunden zurück. Lieb widersprach mit einer emotionalen Rede den Vorwürfen und setzte sich zugleich für eine selbstkritische Aufarbeitung der Ereignisse ein, auch in der Frankfurter FDP.

Thorsten Lieb erklärte, dass er mit Kemmerich seit Jahren persönlich bekannt sei und wohl „unter unmittelbarem Eindruck der Wahl“ so gehandelt habe. Er verwies auf eine Kernaussage aus dem kritisierten Zeitungsinterview mit der Frankfurter Rundschau – und betonte, dass es mit ihm „irgendeine Form von Kooperation oder sonstige Zusammenarbeit mit der AfD nicht geben wird“. Diesen „politischen Brandstiftern“ dürfe man keinen Fußbreit Gestaltungsraum überlassen. 

Die Vorwürfe haben ihn „persönlich tief getroffen“. Der Liberaldemokrat sieht die Frankfurter FDP in der Nachfolge des Holocaust-Überlebenden Ignaz Bubis und hatte sich in der Vergangenheit immer wieder für eine klare Abgrenzung von der AfD und gegen Antisemitismus eingesetzt. Er wandte sich an alle Fraktionen im Ortsbeirat und sagte: „Ich will offen die Frage in den Raum stellen: Haltet Ihr mich für einen Nazi und Faschisten?“ Für kurze Zeit herrschte Stille in der Halle. Dann sagte Lieb, dass er sein Mandat nicht, wie von der SPD gefordert, niederlegen werde.

Zurück zur Ortsbeiratssitzung. Der Antrag für Tempo 30 auf den Riedberger Hauptverkehrsstraßen wurde noch einmal verschoben. Der Neujahrsempfang danach wurde dennoch eine schöne Feier. Unter anderem erhielt der Riedberger SV den Stadtteilpreis 2019 für sein Engagement zum Erhalt der alten Schulturnhalle am Grubweg als Sportstätte und Veranstaltungsort für Vereine.

Foto: FDP

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