Die Bewältigung der Vergangenheit – ein schwieriges Unterfangen

Tower der Hessischen Landesbank

Foto: Frankfurter Sparkasse

Zum 200-jährigen Bestehen der Frankfurter Sparkasse am 12. Juni soll eine Festschrift herausgegeben werden. Gern würde man stolz auf seine Vergangenheit zurückblicken, wenn da nicht die Zeit des Nationalsozialismus gewesen wäre.

Vor mehr als zwei Jahren hatte der Historiker Herr Dr. Ralf Roth, Professor für Neuere Geschichte und Experte für Unternehmensgeschichte im »Dritten Reich«, an der Goethe-Universität Frankfurt, den Auftrag bekommen, einen Teil dieser Festschrift (die Ära von 1822 – 1970) zu erstellen. Der Auftrag lief über das Institut für Bank- und Finanzgeschichte e. V. (IBF). Dieses Institut vermittelt und fördert seit über 50 Jahren finanzhistorische Forschung mit finanzieller Unterstützung der Kreditinstitute und versteht sich dabei als Plattform für den Dialog zwischen Wissenschaftlern und Managern aus der Finanzindustrie.

Herr Prof. Dr. Roth informierte im November den Vorstand der Sparkasse, dass das Institut sich aktiv am Holocaust beteiligt und sich dazu bisher nie öffentlich geäußert hatte. Dieses unangenehme Thema sollte nun in der Festschrift mehr oder weniger weggekürzt werden. Daher hatte im März das IBF Herrn Prof. Dr. Roth den Auftrag entzogen. Stattdessen soll der Bochumer Wirtschaftshistoriker Dieter Ziegler die Epoche des Dritten Reiches beleuchten.

Auch bei anderen namhaften Firmen wurden unangenehme Passagen ihrer Geschichte weggebügelt. Dieser Umgang mit der eigenen Geschichte stößt bei zahlreichen Persönlichkeiten im In- und Ausland auf Entsetzen. Ein Reputationsschaden für das IBF, den Sparkassensektor und Frankfurt war ins Leben gerufen worden.

Während der Nazizeit entstand bei der Sparkasse eine neue Kontoart, die Geschichte schrieb: das sogenannte Sicherungskonto auf dem Geld jüdischer Sparer eingefroren wurde, bis die Eigentümer umgebracht worden waren und damit das Geld dem NS-Staat zur Verfügung gestellt werden konnte. Nach ersten Schätzungen sollen etwa 17.000 bis 19.000 solcher Konten bei den beiden Vorgängerinstituten der Frankfurter Sparkasse (Frankfurter Sparkasse von 1822 und Stadtsparkasse Frankfurt) existiert haben. Die Frankfurter Sparkasse galt ab 1940 als »NS-Musterbetrieb«. Der Leiter der Sparabteilung, Herr Emil Emge machte in der Sparkasse eine steile Karriere, die durch den Sieg der Alliierten nur kurzzeitig unterbrochen wurde.

Der Vorstandschef der Frankfurter Sparkasse berichtete in einem Interview, dass eine Unterdrückung der NS-Vergangenheit nicht beabsichtigt sei. Der Abschnitt der NS-Zeit sei so umfangreich und müsse daher parallel nachgearbeitet werden. Daher soll dieses Kapitel ausgelagert und zu einem eigenen Thema werden, das eventuell sogar noch vor der Chronik veröffentlicht wird.

Herr Prof. Dr. Roth könnte einigen Riedbergen von seinem Vortrag am Riedberg bekannt sein. Dieses Event wurde 2017 veranstaltet vom damaligen Culture Club im Gymnasium Riedberg, zum Thema „Frankfurt im 19. Jahrhundert“.


Quellen:
Der Spiegel Nr. 12 vom 19.03.2022
Frankfurter Neue Presse vom 19.03.2022, 24.03.2022, 30.03.2022 und 02.04.2022

Weiterführende Links:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ralf_Roth_(Historiker)
Frankfurts Banken ziehen sich aus den Stadträndern zurück

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