Seit November 2023 ist die Filiale der Raiffeisenbank in der Hauptstraße von Kalbach nicht mehr verfügbar. Die Filiale der Sparkasse wurde schon 2017 geschlossen. Weitere Bankfilialen gibt es in dem Ort, der 1972 zu Frankfurt kam nicht mehr.
Erst durch die Besiedlung des Riedbergs und den Ausbau des Martinszehnten in den letzten 20 Jahren wurden eine Zweigstelle der Sparkasse und eine Zweigstelle einer Bank der Volks- und Raiffeisenbank-Gruppe neu eröffnet. Immerhin hat der Ortsteil Kalbach-Riedberg inzwischen 23.000 Einwohner. Eine Stadt wie Neu-Anspach hat dagegen nur 15.000 Einwohner.
Trotz Intervention des Ortsbeirats wurde die kaufmännische Entscheidung nicht revidiert. Auch kein anderes Kreditinstitut hatte Interesse, in die Marktlücke einzuspringen. Geldautomatensprengungen, Voranschreiten der Digitalisierung, Kosten für Personal, Räume und Technik führten dazu, diesem Trend weiter zu folgen.
Klare Aussagen: „Die Kundenfrequenz an allen betroffenen Standorten habe zuletzt nur noch zwei Kunden pro Stunde betragen – auch in Kalbach, wo die Filiale bereits seit einigen Monaten nur noch an einem Tag pro Woche geöffnet war.“ und „Die Zahl der Bargeldabhebungen habe derweil bei unter zehn pro Tag gelegen.“
Zu den ersten Opfern der abnehmenden Kundennähe gehören all die Menschen, die im geschäftlichen Alltag Unterstützung benötigen:
Um nur einige betroffene Gruppen exemplarisch aufzuführen:
- Senioren, die mit Smartphones nichts anfangen können oder dieser Technik nicht vertrauen
- Menschen mit Gehbehinderung, die nur kurze Strecken zurücklegen können und das können auch junge Menschen sein, die einen Unfall gehabt haben.
- Menschen mit Einschränkungen beim Sehen, beim Bedienen von Geräten, mit Angst vor moderner EDV-Technik, …
- Menschen, die sich aus finanziellen Gründen weder Smartphones noch Mobilfunkverträge mit Datenvolumen leisten können
- Menschen mit Demenz, Parkinson und ähnlichen Krankheitsbildern
- …
Zu Recht wird darauf verwiesen, dass Bargeldabhebungen auch in manchen Einzelhandelsgeschäften möglich sind. Dabei wird aber oft vergessen, dass das vor allem Discounter sind, die ihre Filialen außerhalb der städtischen Ballungsgebiete angesiedelt haben, sodass oft ein Auto notwendig ist, um sie zu erreichen. Ein weiteres Problem ist, dass dieses System nur funktioniert, solange noch genügend Kunden ihre täglichen Einkäufe bar bezahlen.
Fragen Sie doch mal nach, wenn der Betrieb morgens eröffnet hat, ob Sie 200 Euro abheben können. Der Kassierer mit der neu bestückten Kasse wird bedauernd mit der Schulter zucken. Außerdem ist bei 200 Euro Schluss. Für größere Abhebungen müssen Sie entweder noch bei einem anderen Einzelhandelsgeschäft einkaufen oder doch wieder zum Geldausgabeautomaten rennen.
Noch ist die Bargeldabhebung bei Erreichen eines Mindestumsatzes kostenlos. Müssen die Geschäfte jedoch Geld zukaufen, um die fehlenden Barzahlungen zu ersetzen, damit ihre Kunden abheben können, ist es mit der Gebührenfreiheit sicherlich auch bald vorbei. Keine schönen Aussichten.
Die Zahl der Bankfilialen in Deutschland ist inzwischen unter 20.000 gesunken. Im letzten Jahr wurden immerhin 4,6 % der Filialen gestrichen. Wenn das so weitergeht, wird sich die Zahl der Filialen in den nächsten 10 bis 15 Jahren noch einmal halbieren. (Reine Automaten-Standorte wurden in der Statistik nicht berücksichtigt)
Um nicht zu viele Kunden zu verlieren, versuchen Banken, abseits von festen Standorten ihre Präsenz in der Fläche aufrechtzuerhalten: beispielsweise durch Videoberatung, Beratungscenter mit längeren Öffnungszeiten auch am Samstag, mit Sparkassen-Bussen oder geteilten Filialen über Institutsgrenzen hinweg. Für Geschäftsleute, Vereine und andere Kunden, die auf eine gute Bargeldversorgung und auch auf Bargeld-Abnahme angewiesen sind, nicht immer eine Lösung.
Klassische Geschäftsfelder wie Goldverkauf, Sortenverkauf, Schließfächer wurden vor Jahren schon aufgegeben oder reduziert. Wer noch ein Schließfach ergattert hat, reicht es in der Familie weiter, wenn er es nicht mehr benötigt.
Spannend ist auch immer die Frage, wie Menschen geholfen werden kann, die in finanziellen und technischen Schwierigkeiten stecken.
Auch hier ein paar Beispiele als Anregung:
- Opfer von Kriminalität (Enkeltrick, falsche Polizeibeamte, angebliche Staatsanwaltschaft, …)
- Technische Ausfälle (Internet, Haustechnik, Router, PC-Absturz, Handy verloren, Kreditkarten gestohlen, …)
- Plötzliche Erkrankungen, Unfälle, Krankenhauseinweisungen, …
Sofern Familienangehörige entsprechende Vollmachten haben und zeitlich und räumlich einspringen können, kann das noch aufgefangen werden. Einsame oder vereinsamte Menschen werden dann von Geldversorgung und Bankdienstleistungen abgeschnitten.
Technische Pannen und Kosten
Wer mit physischen Belegen (Überweisungsformulare, Kontoauszüge, …) arbeitet, wird nicht nur mit höheren Gebühren zur Kasse gebeten, sondern hat auch noch Anfahrtskosten, sei es ein Ticket für den öffentlicher Personennahverkehr oder Spritkosten und Parkgebühren für den Pkw. Wenn dann noch Geräte ausfallen und der Weg zur Bank vergeblich war, addieren sich Frust und Ärger. Noch tragischer wird jedoch die Abschaffung von Kontoauszügen und Überweisungsbelegen empfunden.
Konsequenzen für Banken
Während die nachwachsende Generation zum überwiegenden Teil mit dem Smartphone „verheiratet“ ist, kennen sie weder Bankfilialen noch klassische Bankbelege. Auch Kontakte zu Kundenberatern sind ihnen oft fremd. Ihr Bezugspunkt zum Kreditinstitut ist dann nur noch die Leistungsfähigkeit der jeweiligen App. Dienstleistungen werden wie Rosinen ausgewählt. Die besten Konditionen werden zum Maß aller Dinge.
Direktbanken mit langer Erfahrung und ausgefeilter Technik haben hier die Nase vorn. Die ING-DiBa wurde 1965 als Bank für Sparanlagen und Vermögensbildung AG (BSV) in Frankfurt am Main unter maßgeblicher Beteiligung des damaligen Vorsitzenden der IG Bau-Steine-Erden, Georg Leber, gegründet. Heute ist sie von der holländischen ING assimiliert und mit 9 Millionen Kunden im Jahr 2022 die größte Direktbank Deutschlands und zählt zu den 10 größten Banken des Landes.
Für die übrig gebliebenen deutschen Großbanken eine immer stärkere Konkurrenz. Vor allem nachdem die Deutsche Bank gezeigt hat, dass ihre EDV-Kompetenz bei der Integration der Postbank doch sehr zu wünschen ließ, so dass das Bundesaufsichtsamt fürs Finanzwesen einen Sonderbeauftragten abstellen musste. Der Trend zeigt: Wer die Bindung zum Kunden verliert, verliert langfristig auch den Kunden. Eine teuflische Sackgasse!