Wir feiern dieses Jahr den 75. Geburtstag unseres Grundgesetzes. Im Artikel 2 Absatz 1 heißt es: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt …“
In dicht besiedelten Gebieten wie zum Beispiel in den Großstädten, erleben wir jedoch täglich, wie schwierig es ist, seine Ziele zu verfolgen, und dabei nicht die berechtigten Freiheiten anderer Mitbürger zu beeinträchtigen.
Gerade der Konflikt zwischen Autofahrern und Radfahrern ist immer wieder spannend anzusehen. Wie oft kommt es vor, dass jemand sein Auto kurzfristig irgendwo abstellen möchte, oder es für einen kurzen Zeitraum parken muss, weil er jemanden aussteigen/einsteigen lassen will, weil er Ware beladen/entladen möchte oder nur mal kurz zum Bäcker reinschaut, um ein paar Brötchen zu kaufen.
Manchmal sind ein paar Parkplätze vorhanden. Oft sind diese aber belegt und dies nicht nur für ein paar Minuten, sondern sogar für Stunden. Also stellt man sein Fahrzeug, wie es in der Straßenverkehrsordnung so schön heißt, „in zweiter Reihe“.
Vor einigen Jahren, als der Verkehr (zumindest hier am Riedberg) noch viel geringer war, ging das auch noch relativ problemlos. Seitdem der Riedberg nahezu vollständig bebaut ist und die Wohnungen inzwischen auch alle bezogen worden sind, hat der Autoverkehr deutlich zugenommen und auch die Zahl der Verkehrsteilnehmer, die mit dem Fahrrad oder Roller unterwegs sind.
Dem hat die Stadtverwaltung Rechnung getragen und beispielsweise auf der Altenhöferallee rechts und links rote Fahrradspuren aufgemalt. Auch die Straßenverkehrsordnung ist vom Gesetzgeber in der Zwischenzeit auf die neuen Anforderungen hin angepasst worden und belegt das Halten auf dem Fahrradstreifen mit einem Bußgeld von 55 € bis 100 € und ggf. noch einem zusätzlichen Punkt in Flensburg. Wird beim Halten noch der Warnblinker gesetzt, würde das noch mal 5 € extra kosten.
Gut ausgebildete Autofahrer und Lenker von Lieferfahrzeugen, deren Firmen auf gutes Verkehrsverhalten Wert legen, halten daher links neben der Fahrradspur, um den Weg für die Fahrradfahrer freizuhalten. Doch angewöhntes Verhalten bei vielen Verkehrsteilnehmern lässt sich nur schwer wieder abtrainieren.
Ein weiteres Problem ist, dass die Stadt Frankfurt zwar eine ganze Reihe von Polizisten im Einsatz hat, bei der Zahl der Verstöße gegen die Vielfalt von Gesetzen aber schnell an ihre Grenzen stößt. Erfahrungsgemäß wird das verkehrswidrige Halten auf den Fahrradstreifen nur dann sanktioniert, wenn Fahrradfahrer dadurch gezwungen werden, um das haltende Fahrzeug herumzufahren, und die nachfolgenden Autos dadurch einen Unfall verursacht haben.
Dies hat zur Konsequenz, dass geschätzt die Hälfte der Autofahrer noch an ihren traditionellen Verhaltensweisen hängt und so die Fahrradfahrer manchmal zur Weißglut treiben.
Besonders nervig ist diese Situation vor allem für die Lenker von Paketlieferdiensten, die alle paar Meter anhalten müssen, um ihre Dienstleistungen zu erbringen. Dass sich die Zahl der Lieferdienste in den letzten Jahren deutlich erhöht hat, hängt davon ab, wo wir unsere Waren einkaufen. Der Einkauf im Internet mit Lieferung „frei Haus“ hat jedenfalls das Zusammenleben auf unseren Straßen erheblich erschwert.
Ein weiteres Problemfeld ist die Tendenz der ständig wachsenden Fahrzeugabmessungen. Kleine schlanke agile Autos werden auf den Straßen zunehmend von Großfahrzeugen wie SUVs, Großraumlimousinen und Sprintern aller Art verdrängt.
Es gibt viele kleine Optionen, die in Summe das Problem etwas entschärfen könnten:
- Weniger Autos und kleinere Autos
- Vermeiden unnötiger Fahrten, stattdessen Füße oder Fahrrad nutzen
- Weniger im Internet bestellen, stattdessen beim Einzelhandel einkaufen gehen
- Mehr Rücksicht aufeinander nehmen, statt auf seinem Recht zu beharren
- Sich mit aktuellen Verkehrsregeln mal wieder auseinandersetzen
- Öfters mal Polizeikontrollen, wenn es das Arbeitspensum erlaubt
- …
Das Titelbild wurde uns von Herrn V. Koch zur Verfügung gestellt. Eine Momentaufnahme mit Symbolwert: Ein vorbildlicher Lenker eines Lieferfahrzeugs parkt neben dem Radweg, während auf der Gegenspur gleichzeitig ein blauer Mercedes nach alter Manier auf dem Radstreifen parkt, um seinen Glasmüll oder seine Altkleider zu entsorgen.
Verkehrsregeln
§ 12 Absatz 4, Satz 2 Straßenverkehrsordnung (StVO): Dort heißt es, dass auch das Halten in zweiter Reihe „in der Regel“ untersagt ist.