Krankenhauskeim im Dornröschenschlaf

Acinetobacter baumannii

Bei Stress durch hohe Salzkonzentrationen sterben nach einigen Tagen zwar eine Reihe der kultivierten Acinetobacter baumannii-Bakterien ab (orange Punkte), viele leben jedoch in einer Art Tiefschlaf (VNBC, grüne Punkte) weiter. Foto: Volker Müller, Goethe-Universität Frankfurt

Warum Infektionen mit »Acinetobacter baumannii« immer wieder aufflammen können.

Ein Forschungsteam um Beate Averhoff und Volker Müller von der Goethe-Universität Frankfurt hat einen fundamentalen Mechanismus entdeckt, der dem gefürchteten Krankenhauskeim Acinetobacter baumannii (AB) beim Überleben hilft.

Dieser Mechanismus macht deutlich, warum der Keim in Krankenhäusern schwer auszurotten ist und Infektionen in Patienten immer wieder aufflammen: Wenn die Lebensbedingungen für die Bakterien zu ungünstig werden, fallen sie in eine Art Dornröschenschlaf. Dann können sie mit gängigen diagnostischen Standards nicht mehr entdeckt und auch nicht mehr abgetötet werden. Aus diesem „tiefen Schlaf“ erwachen sie, wenn sich die Lebensbedingungen wieder besser werden.

Das Bakterium „AB“ ist ein äußerst gefährlicher Erreger im Krankenhaus: Viele der Bakterienstämme sind gegen Antibiotika aus unterschiedlichen Stoffklassen resistent. Infektionen mit „AB“ wurden erst während des Irak-Krieges vermehrt beobachtet und nehmen seitdem mit rasantem Tempo weltweit zu.

Daher hat die Weltgesundheitsorganisation WHO „AB“ auf Platz eins der Liste der Bakterien gesetzt, gegen die dringend neue Medikamente benötigt werden. Die gefährliche Verbreitung von „AB“ geht aber nicht nur die Antibiotikaresistenzen zurück, sondern auch auf seine enorme Anpassungsfähigkeit: Er wächst auch unter harschen Bedingungen wie Trocken- und Salzstress und kann daher unterschiedliche Ökosysteme im Menschen besiedeln wie Blase, Hautoberfläche und Lunge.

Nun hat das Wissenschaftsteam Prof. Beate Averhoff und Prof. Volker Müller einen zuvor bei „AB“ unbekannten Mechanismus der Anpassung entdeckt. Viele Bakterien gehen bei unwirtlichen Lebensbedingungen in einen fast todesähnlichen Ruhezustand über: Sie entwickeln Dauerformen ohne jegliche Stoffwechselaktivität, so genannte Sporen.

„AB“ kann jedoch, so fand das Wissenschaftsteam heraus, alternativ auch spezielle Zellen ausbilden, die sich in einer Art Tiefschlaf befinden. Diese Zellen zeigen zwar noch Lebenszeichen und atmen, lassen sich aber auf Nährböden in Petrischalen nicht mehr kultivieren. In diesem Zustand können die Bakterien lange überdauern, berichtet Patricia König, die Erstautorin der Studie, die jetzt in der renommierten Zeitschrift mBio publiziert wurde.

Das Problem: In der Medizin ist der Nachweis von Bakterien durch Kultivierung auf Nährböden immer noch der Goldstandard. Frau Dr. Averhoff erläutert: „Man stelle sich Folgendes vor: Ein Patient mit einer „AB“-Infektion bekommt eine Antibiotika-Behandlung, und nach 7 Tagen wachsen auf den Kulturschalen keine „AB“-Bakterien mehr. Arzt und Patient gehen davon aus, dass das Bakterium verschwunden ist, aber in Wirklichkeit schläft es nur in Nischen des Körpers und wartet darauf, bei nächster, besserer Gelegenheit wieder aufzuwachen, sich zu vermehren und erneut Symptome im Patienten hervorzurufen. Das ist insbesondere bei multiresistenten Bakterien äußerst gefährlich.“

Therapeutisch könnten neue Ansatzpunkte in den Proteinen liegen, die beim Übergang in den Dornröschenschlaf eine wichtige Rolle zu spielen scheinen. Eine Reihe solcher Proteine konnte das Wissenschaftsteam bereits identifizieren.


Vollständiger Bericht: https://aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung/krankenhauskeim-im-dornroeschenschlaf-warum-infektionen-mit-acinetobacter-baumannii-immer-wieder-aufflammen-koennen/

Publikation: Patricia König, Alexander Wilhelm, Christoph Schaudinn, Anja Poehlein, Rolf Daniel, Marek Widera, Beate Averhoff, Volker Müller. The VBNC state: a fundamental survival strategy for Acinetobacter baumannii. mBio (2023) https://doi.org/10.1128/mbio.02139-23.

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