Schlagwort: Medizin

Studentische Poliklinik feiert 10. Geburtstag

Arbeiten gemeinsam in der Studentischen Poliklinik: Marius Moniak (von links), Celina Steinwald, Antonia Kerner, Dr. Petra Tiarks-Jungk, Rebekka Roberts, Ramona Brinkmann und Felix Luft. (Foto: Gesundheitsamt Frankfurt)

Die Studentische Poliklinik der Goethe-Universität im Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt feiert ihr 10-jähriges Bestehen. Eine Initiative mit vielfachem Nutzen: Die Sprechstunde für Menschen ohne Krankenversicherung wird von Studierenden unter Aufsicht erfahrener Ärzte angeboten.

Ein solches Wahlpflichtfach hätte sich Prof. Robert Sader als Student auch gewünscht: „Zu meiner Studienzeit vor 40 Jahren war die medizinische Lehre extrem theorielastig, und richtigen Patientenkontakt hatten wir erst im Praktischen Jahr“, erinnert sich der Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Frankfurt in einem Interview zum Jubiläum.

Die Idee, dass der Fachbereich Medizin sich in die Versorgung Bedürftiger einbringen könnte, hatte der Frankfurter Anatom Prof. Helmut Wicht. Sader, damals Studiendekan, griff sie auf und entwickelte sie gemeinsam mit Studierenden weiter.

Nachdem – auch mit Hilfe des Frankfurter Gesundheitsamtes – so manche Hürde beseitigt werden konnte, ging die Studentische Poliklinik am 17.06.2014 als bundesweit erstes Angebot dieser Art in Betrieb. Seither wurde hier vielen Patienten geholfen. Und auch von studentischer Seite war das Interesse stets an groß. Eine besondere Bestätigung für das Projekt: 2017 erhielt es den Hessischen Hochschulpreis für Exzellenz in der Lehre, der mit 60.000 Euro dotiert war.

Elke Voitl, Frankfurts Dezernentin für Soziales und Gesundheit, stellt die Initiative in die Tradition des berühmten Frankfurter Stadtarztes und Stifters Johann Christian Senckenberg: „Noch immer haben Menschen ohne Krankenversicherung in Deutschland lediglich in absolut akuten Notlagen einen Anspruch auf medizinische Hilfe. Das ist ein Problem. Wir brauchen dringend eine kostenlose Grundversorgung für jeden in unserer Gesellschaft.“

„Die Studentische Poliklinik setzt hier einen ganz entscheidenden Impuls, denn sie ergänzt vorbildlich die Humanitäre Sprechstunde unseres Gesundheitsamts. Beide Angebote wurden über die Jahre hinweg ausgebaut – und die Nachfrage ist weiterhin enorm.“

„Auf Solidarität angewiesene Menschen in unserer Stadt profitieren davon. Die Studierenden gewinnen durch ihre Mitarbeit in der Studentische Poliklinik Praxiserfahrung und – vielleicht noch wichtiger – erleben das Gefühl großer Sinnhaftigkeit. Wir sind stolz auf dieses rundum gelungene Projekt“, sagt Prof. Viera Pirker, Vizepräsidentin für Lehre an der Goethe-Universität.

„Der Kontakt mit Patienten ohne festen Wohnsitz, ohne Krankenversicherung und mit Problemen, die in Deutschland nicht im Mittelpunkt der Gesellschaft stehen, fordert nicht nur fachliche Kompetenzen unserer Ärzte von morgen, sondern regt insbesondere auch zur Reflexion über die eigene Rolle, das eigene Verhalten und mehr Engagement an.

Die jungen Menschen erhalten im Vergleich zu ihrem regulären Studium eine ganz neue Perspektive auf ihre zukünftige Tätigkeit und erweitern dabei ihren Erfahrungsschatz und ihre kommunikativen Fähigkeiten erheblich“, erklärt Prof. Miriam Rüsseler, Studiendekanin des Fachbereichs Medizin.

Dr. Dr. Lukas Seifert, einer der studentischen Initiatoren, erinnert sich an die Planungsphase: In Europa habe es damals nichts Vergleichbares gegeben. Die amerikanischen Student-run Free Clinics dienten als Vorbild, eine studentische Delegation machte sich unter anderem in Harvard ein Bild von Ablauf und Organisation.

Seifert entwickelte auf dieser Basis im Rahmen einer Doktorarbeit das Konzept für das Frankfurter Wahlpflichtfach. Auf dem Weg zur Realisierung der Studentische Poliklinik habe es vor allem zwei Hürden gegeben, schildert Prof. Sader: Zum einen die versicherungsrechtliche Problematik – sie sei gelöst worden, indem das Gesundheitsamt zur akademischen Lehreinrichtung der Universität akkreditiert, das klinische Wahlfach der Studentische Poliklinik entwickelt und im Studium implementiert wurde.

Zum anderen gestaltete sich die Suche nach Räumlichkeiten schwierig, aber dieses Problem wurde mit Hilfe des Gesundheitsamtes gelöst, das zunächst provisorisch mit Räumen aushalf. Aus dem Provisorium wurde eine Dauerlösung, die sich bewährt hat.

Von Beginn an als ärztliche Supervisorin dabei ist Dr. Petra Tiarks-Jungk. Sie leitete die Humanitäre Sprechstunde und gab den ersten Studentische Poliklinik-Studierenden die Gelegenheit, dort zu hospitieren. Ihre Skepsis in Bezug auf die Qualität der studentischen Medizinkenntnisse sei rasch verflogen, berichtet sie: Von deren Engagement und Versiertheit sei sie „hellauf begeistert“ gewesen. Deshalb habe sie die Studentische Poliklinik gern als ärztliche Supervisorin unterstützt und tue das auch heute noch – nach dem aktiven Berufsleben.

Die Studierenden treffen nicht unvorbereitet auf Patienten. Erst nach einem Semester und einem erfolgreich absolvierten Untersuchungskurs und Fallseminaren können sie praktisch in der Studentische Poliklinik arbeiten – begleitet von einem „Senior“ und unter ärztlicher Supervision.

Die Sprechstunden der Studentischen Poliklinik finden dienstags von 17 bis 19 Uhr und mittwochs von 18 bis 20 Uhr statt. Jeweils zwei Teams aus zwei Studierenden – ein Junior und ein Senior – untersuchen die Patienten, stellen die Anamnese, nehmen Blut ab oder machen einen Ultraschall.

Oft geht es um akute Leiden, aber auch chronische Erkrankungen wie Diabetes und Bluthochdruck kommen vor. Robert Sader zufolge haben sich nicht wenige Studentische Poliklinik -Engagierte für eine Tätigkeit in einer Hausarztpraxis entschieden. „Durch meine Mitarbeit in der Studentische Poliklinik ist mein Interesse an der Allgemeinmedizin gestärkt worden“, bestätigt Petra Sporerova vom aktuellen Studentische Poliklinik -Team. „Es macht viel Freude, den Patienten helfen zu können. Man erhält so viel Dankbarkeit zurück“, so die Medizinstudentin.

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Krankenhauskeim im Dornröschenschlaf

Acinetobacter baumannii

Warum Infektionen mit »Acinetobacter baumannii« immer wieder aufflammen können.

Ein Forschungsteam um Beate Averhoff und Volker Müller von der Goethe-Universität Frankfurt hat einen fundamentalen Mechanismus entdeckt, der dem gefürchteten Krankenhauskeim Acinetobacter baumannii (AB) beim Überleben hilft.

Dieser Mechanismus macht deutlich, warum der Keim in Krankenhäusern schwer auszurotten ist und Infektionen in Patienten immer wieder aufflammen: Wenn die Lebensbedingungen für die Bakterien zu ungünstig werden, fallen sie in eine Art Dornröschenschlaf. Dann können sie mit gängigen diagnostischen Standards nicht mehr entdeckt und auch nicht mehr abgetötet werden. Aus diesem „tiefen Schlaf“ erwachen sie, wenn sich die Lebensbedingungen wieder besser werden.

Das Bakterium „AB“ ist ein äußerst gefährlicher Erreger im Krankenhaus: Viele der Bakterienstämme sind gegen Antibiotika aus unterschiedlichen Stoffklassen resistent. Infektionen mit „AB“ wurden erst während des Irak-Krieges vermehrt beobachtet und nehmen seitdem mit rasantem Tempo weltweit zu.

Daher hat die Weltgesundheitsorganisation WHO „AB“ auf Platz eins der Liste der Bakterien gesetzt, gegen die dringend neue Medikamente benötigt werden. Die gefährliche Verbreitung von „AB“ geht aber nicht nur die Antibiotikaresistenzen zurück, sondern auch auf seine enorme Anpassungsfähigkeit: Er wächst auch unter harschen Bedingungen wie Trocken- und Salzstress und kann daher unterschiedliche Ökosysteme im Menschen besiedeln wie Blase, Hautoberfläche und Lunge.

Nun hat das Wissenschaftsteam Prof. Beate Averhoff und Prof. Volker Müller einen zuvor bei „AB“ unbekannten Mechanismus der Anpassung entdeckt. Viele Bakterien gehen bei unwirtlichen Lebensbedingungen in einen fast todesähnlichen Ruhezustand über: Sie entwickeln Dauerformen ohne jegliche Stoffwechselaktivität, so genannte Sporen.

„AB“ kann jedoch, so fand das Wissenschaftsteam heraus, alternativ auch spezielle Zellen ausbilden, die sich in einer Art Tiefschlaf befinden. Diese Zellen zeigen zwar noch Lebenszeichen und atmen, lassen sich aber auf Nährböden in Petrischalen nicht mehr kultivieren. In diesem Zustand können die Bakterien lange überdauern, berichtet Patricia König, die Erstautorin der Studie, die jetzt in der renommierten Zeitschrift mBio publiziert wurde.

Das Problem: In der Medizin ist der Nachweis von Bakterien durch Kultivierung auf Nährböden immer noch der Goldstandard. Frau Dr. Averhoff erläutert: „Man stelle sich Folgendes vor: Ein Patient mit einer „AB“-Infektion bekommt eine Antibiotika-Behandlung, und nach 7 Tagen wachsen auf den Kulturschalen keine „AB“-Bakterien mehr. Arzt und Patient gehen davon aus, dass das Bakterium verschwunden ist, aber in Wirklichkeit schläft es nur in Nischen des Körpers und wartet darauf, bei nächster, besserer Gelegenheit wieder aufzuwachen, sich zu vermehren und erneut Symptome im Patienten hervorzurufen. Das ist insbesondere bei multiresistenten Bakterien äußerst gefährlich.“

Therapeutisch könnten neue Ansatzpunkte in den Proteinen liegen, die beim Übergang in den Dornröschenschlaf eine wichtige Rolle zu spielen scheinen. Eine Reihe solcher Proteine konnte das Wissenschaftsteam bereits identifizieren.


Vollständiger Bericht: https://aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung/krankenhauskeim-im-dornroeschenschlaf-warum-infektionen-mit-acinetobacter-baumannii-immer-wieder-aufflammen-koennen/

Publikation: Patricia König, Alexander Wilhelm, Christoph Schaudinn, Anja Poehlein, Rolf Daniel, Marek Widera, Beate Averhoff, Volker Müller. The VBNC state: a fundamental survival strategy for Acinetobacter baumannii. mBio (2023) https://doi.org/10.1128/mbio.02139-23.

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