Schlagwort: Forschungsergebnisse

FIAS: Einblicke in das Recycling unserer Zellen

Computersimulation des Proteinkomplexes ATG3

Forschenden am Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) ist ein bedeutender Durchbruch im Verständnis der Autophagie gelungen, einem lebenswichtigen zellulären Mechanismus für Abbau und Recycling beschädigter Zellbestandteile.

Zellen besitzen eine ausgeklügelte „Recyclingsystem“, die Autophagie. Dieser griechische Begriff bedeutet „Selbstverzehr“ und ist ein komplexer Prozess. Alle Zellkomponenten – wie kleine Moleküle, Zucker, einzelne Proteine, Lipide – sind in einer enorm komplexen Choreografie organisiert, die für das korrekte Funktionieren der Zelle und letztlich für die Gesundheit und das Überleben des gesamten Organismus notwendig ist.

Manchmal werden Teile dieser Choreographie beschädigt – etwa ein Proteinkomplex oder eine Membran – und die Zelle muss sie beseitigen, bevor sie ihre normale Funktion beeinträchtigen. Oder eine Zelle leidet unter Nährstoffmangel, sodass sie vorhandene Moleküle nutzen und recyclen muss, um sich auf wesentliche Aktivitäten zu konzentrieren. In diesen Situationen wird die Autophagie aktiviert.

Autophagie beruht auf dem Zusammenwirken zahlreicher regulatorischer Proteine, die die Bildung dieser zellulären „Müllabfuhr“ steuern. Sie sammeln den zum Recycling bestimmten Zellinhalt – beispielsweise defekte Proteine – in Bläschen, den Autophagosomen. Eine entscheidende Rolle bei der Bildung dieser Autophagosomen, den Strukturen, die das abzubauende Material einkapseln, spielt das Protein ATG3.

Das Forscherteam um FIAS-Fellow Roberto Covino fand heraus, dass eine bestimmte Seitenkette des ATG3-Protein über einzigartige biophysikalische Eigenschaften verfügt: Diese Eigenschaften ermöglichen es ihr, streng kontrolliert mit Membranen zu interagieren. Und sie sind für die Funktion des Proteins bei der Autophagie wesentlich.

Dieses tiefere Verständnis der molekularen Mechanismen, die der Autophagie zugrunde liegen, könnte erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung von Behandlungen für Krankheiten haben, die mit einer gestörten Autophagie einhergehen, wie etwa neurodegenerative Erkrankungen und Krebs.

 

Abbildung: Computersimulation des Proteinkomplexes ATG3 (orange) auf einer Lipidmembran (grau/transparent). Die Forschenden identifizierten den auf der Membran liegenden Teil (eine amphipathische Helix) als entscheidend für den Prozess der Autophagie. Dieser grundlegende Recycling-Prozess in unseren Zellen ist bei bestimmten Krankheiten gestört.


Das FIAS (Frankfurt Institute for Advanced Studies) ist eine interdisziplinäre Forschungseinrichtung in Frankfurt am Main. Hier entwickeln international ausgewiesene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Theorien zu komplexen naturwissenschaftlichen Zukunftsthemen in den Bereichen theoretische Naturwissenschaften, Computerwissenschaften und KI-Systeme sowie Lebens- und Neurowissenschaften. Über die Grenzen der Disziplinen hinweg erforschen sie mit Hilfe mathematischer Algorithmen und Simulationen die komplexen selbstorganisierenden Systeme der Natur. Das FIAS ist eine gemeinnützige Stiftung zwischen der Goethe-Universität und privaten Stiftern und Sponsoren. https://fias.institute/

 

Publikation:
Taki Nishimura, Gianmarco Lazzeri, Noburu Mizushima, Roberto Covino, Sharon A. Tooze, Unique amphipathic α helix drives membrane insertion and enzymatic activity of ATG3, Science Advances 9:25, 2023, DOI: 10.1126/sciadv.adh1281

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