KZ-Außenlager in Frankfurt – aber keine Gedenkstätte

In den Jahren 1944/45 existierte mitten in Frankfurt unter dem Decknamen „Katzbach“ ein Konzentrationslager. Die Gefangenen, die zum Großteil aus Polen stammten, wurden auf dem Gelände der Adlerwerke im Gallus unter grauenhaften Bedingungen festgehalten und zur Zwangsarbeit gezwungen. Im März 1945 wurden sie nach der Auflösung des Lagers auf einen Todesmarsch geschickt, den die wenigsten überlebten. Nach Kriegsende schwiegen die Frankfurter Öffentlichkeit und die Adlerwerke die Existenz des Lagers in der Öffentlichkeit systematisch tot. Eine nun abgeschlossene Studie durch das Fritz Bauer Institut liefert die wissenschaftliche Grundlage für das künftige Gedenken an das KZ im Gallusviertel. Die mit der Studie beauftragte Historikerin Andrea Rudorff stellte die Ergebnisse am Donnerstag bei einem Vortrag in Anwesenheit von Kulturdezernentin Ina Hartwig, dem polnischen Generalkonsul Jakub Wawrzyniak und Horst Koch-Panzner, Vorsitzender des Fördervereins für die Errichtung einer Gedenk- und Bildungsstätte KZ-Katzbach, vor.

„Frankfurt war ein Teil des nationalsozialistischen Arbeits- und Vernichtungslagersystems. Dieser Teil der Stadtgeschichte ist beschämend, darf aber nicht schamvoll kaschiert werden. Die Erinnerung an das Konzentrationslager muss vielmehr dauerhaft im Gallusviertel verankert werden“, sagte Hartwig.

Rudorff beschäftigte sich intensiv mit der Genese des Lagers, der Eingliederung als Außenlager in das KZ-System, der Lagerverwaltung, der Existenzbedingungen und Überlebensstrategien der Häftlinge, dem Arbeitseinsatz, der Verantwortung des Unternehmens, der Rolle der Nachbarschaft und der städtischen Behörden, der Lagerräumung und der Strafverfolgung. Durch den Zugriff auf neue und zum großen Teil erst seit wenigen Jahren zugänglich gemachte Quellen bringt Rudorffs Arbeit wichtige Erkenntnisse.

Die Verfolgungsgeschichten der einzelnen Häftlinge lassen sich nun detailliert nachvollziehen. Insbesondere über die Zusammensetzung des letzten Häftlingstransports, der Anfang Februar 1945 in Frankfurt eintraf, wusste man bisher nur sehr wenig. Im Gegensatz zu den ersten Transporten, die ausschließlich aus Polen bestanden, die während des Warschauer Aufstands deportiert wurden, kamen nun sehr heterogene Häftlingsgruppen in das Lager. „Die Studie des Fritz Bauer Instituts gibt vielen bislang anonymen Opfern ein Gesicht. Sie legt außerdem Zeugnis ab von der Verstrickung der Stadt und der Adlerwerke in die nationalsozialistischen Verbrechen”, erklärte Hartwig.

Zusammen mit zivilgesellschaftlichen Initiativen vor Ort arbeitet das Kulturdezernat der Stadt Frankfurt seit einigen Jahren daran, für diesen Teil der Frankfurter Geschichte einen angemessenen Ort der Erinnerung zu schaffen. „Die Stadt Frankfurt braucht dringend diese Bildungs- und Gedenkstätte – wir sind es den vielen Opfern der grausamen Taten im KZ Katzbach schuldig. Es bleibt unsere Verpflichtung, aller, die durch die Hölle des KZ Katzbach gingen, entsprechend zu gedenken. Es war auch der Wunsch eines der letzten Zeitzeugen, Andrzej Korczak-Branecki, der kürzlich von uns gegangen ist”, erklärte der Generalkonsul der Republik Polen Jakub Wawrzyniak.

Da die Einrichtung einer dauerhaften Gedenkstätte vor Ort ohne Kooperationsbereitschaft der Immobilieneigentümer derzeit nicht möglich ist, reichte die Römerkoalition einen Etatantrag zur Verwirklichung einer Ausstellung ein. Diese soll eine zeitgemäße künstlerische und wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Zwangsarbeit ermöglichen und als Wanderausstellung genutzt werden – ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer Gedenkstätte.

„Diskussion schadet dem Ansehen der Stadt“

Oberbürgermeister Peter Feldmann schaltete sich am heutigen Freitag in die Diskussion um die Errichtung der Gedenkstätte Katzbach mit deutlichen Worten ein: „Wer einen Gegensatz zwischen Gedenkstätten und anderen, notwendigen Formen der Erinnerungskultur aufbaut, schadet am Ende beidem und wird der Herausforderung, vor der wir stehen, nicht gerecht.“

Der Oberbürgermeister erinnert daran, dass er angesichts der Kranzniederlegung an diesem Ort und in Anwesenheit des polnischen Generalkonsuls am 1. August des letzten Jahres im Namen der ganzen Stadt auf die wichtige Bedeutung von Erinnerungsorten hingewiesen hat. Solche Erinnerungsorte nicht mehr zu errichten, weil die Gefahr bestehe, dass Rassisten und Nazis dort demonstrieren, sei im Ergebnis eine Kapitulation der Demokratie vor ihren Feinden: „Die Jüdische Gemeinde weiß, auf welcher Seite der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt steht und ich danke ihr für ihre klaren und mutigen Worte!“

Der Oberbürgermeister versichert zugleich dem polnischen Generalkonsul, dass er sich wie versprochen für die Errichtung der Gedenkstätte einsetzen werde: „Das wird so nicht stehen bleiben. Von verantwortlichen Kommunalpolitikern erwarte ich, dass sie sich bald und eindeutig äußern, damit kein weiterer Schaden für das Ansehen unserer Stadt entsteht.“

Hintergrundinformationen

Erst in den letzten Jahren ist das KZ Katzbach als Teil der Geschichte des Gallus in der Stadt bekannt geworden, besonders durch das Engagement zivilgesellschaftlicher Initiativen vor Ort. Die Arbeit von Ernst Kaiser und Michael Knorn, die 1994 unter dem Titel „Wir lebten und schliefen zwischen den Toten“ in erster Auflage verlegt wurde, hat einen großen Teil der wichtigen Quellen befragt und wissenschaftlich aufbereitet. Seitdem blieb eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema aus, bis die Stadtverordnetenversammlung Anfang 2018 einen Etatantrag von 100.000 Euro für einen Forschungsauftrag zur Aufarbeitung der Geschichte des Konzentrationslagers bewilligte, der nun abgeschlossen ist.

Informationen: Stadt Frankfurt

Foto: Förderverein für die Errichtung einer Gedenk- und Bildungsstätte KZ-Katzbach

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