Der Hurrikan „Irma“ wird von nicht wenigen Beobachtern bereits als Ergebnis des menschengemachten Klimawandels angesehen. Der gewaltige Sturm hat ganze Regionen in Lateinamerika und den USA zerstört und auf seinem Weg von den Kapverden in den Süden der USA mehrere Wetterrekorde gebrochen. Auch in unseren Breiten scheinen die Extremwetterereignisse deutlich zuzunehmen. Für den renommierten Klimaforscher Prof. Joachim Curtius vom Institut für Atmosphäre und Umwelt am Campus Riedberg ist das Anlass genug, sich erneut öffentlich zu den Folgen des menschengemachten Klimawandels zu Wort zu melden: „Wir erwarten, dass im Zuge des Klimawandels einige Arten von Wetterextremen zunehmen. Bei Ereignissen wie Hitzewellen und Dürren in einigen Regionen oder auch bei Extremniederschlägen sind sich die Klimaforscher sehr sicher“, so Curtius.
Es gebe aber auch „klare Indizien, die es plausibel erscheinen lassen, dass der menschgemachte Klimawandel auch bei Hurrikanen einen Einfluss hat. Insbesondere wissen wir, dass sich die Ozeanoberfläche durch den Klimawandel erwärmt und damit die Gebiete größer werden, in denen das Wasser warm genug ist, so dass sich ein tropischer Wirbelsturm bilden kann. Wir wissen auch, dass je größer der Temperaturunterschied zwischen Ozeanoberfläche und oberster Troposphäre ist, desto höher sind auch die maximal möglichen Windgeschwindigkeiten im Hurrikan. Insofern ist es plausibel, dass durch Klimawandel Hurrikane noch zerstörerischer werden und dass Hurrikane in Gebieten auftreten können, wo es bisher keine Hurrikane gab. Irma hat einige Rekorde für Hurrikane im Nordatlantik aufgestellt mit maximalen Windgeschwindigkeiten von rund 300 km/h über anderthalb Tage hinweg.“
Deshalb war “Irma” so gewaltig
Die gewaltige Ausdehnung des Hurrikans Irma stellt auch den Atmosphärenforscher vor ein Rätsel: „Wieso gerade Irma so groß geworden ist und vor allem so extrem viel Energie aufgenommen hat, ist nicht leicht zu beantworten. Es lagen für die Entstehung und das Anwachsen perfekte Bedingungen vor: der Atlantik ist auf Höhe der Kapverden, wo Irma entstand, derzeit sehr warm. Hinzu kommt, dass die Windscherung schwach war, das heißt die Unterschiede in Windgeschwindigkeit und -richtung mit der Höhe waren gering. Irma hat sich über mehrere Tage aufgebaut und dabei ständig an Intensität gewonnen. Warum es aber gerade in diesem Jahr bei diesem Sturm zu diesen besonderen Bedingungen gekommen ist, ist schwer zu sagen.“
Curtius sieht in Zukunft gravierende Folgen für die Bewohnbarkeit ganzer Regionen als Folge von Extremwetter-Ereignissen: „Der Pazifik hat allgemein die schlimmsten Tropenstürme zu befürchten, weil dort die extremsten Bedingungen vorliegen und in vielen betroffenen Regionen die Bevölkerung zu arm ist, um sich zu schützen. Es wird aber auch erwartet, dass in Zukunft Hurrikane in Regionen auftreten, wo es diese bisher überhaupt nicht gibt, zum Beispiel im Südatlantik vor der Küste Brasiliens. Das würde die Bevölkerung überraschen und könnte auch zu großen Schäden und Opferzahlen führen, weil man bislang kaum darauf vorbereitet ist.“ Die materiellen Schäden seien, so Curtius, bei solchen Naturkatastrophen in jedem Fall enorm.
Zahlreiche Mega-Städte sind jetzt in Gefahr
„Viele der Megastädte der Erde liegen direkt an der Küste in Regionen, die von Hurrikanen bedroht sind. Selbst wenn es gelingt, mehrere Millionen Menschen rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, dann bringen Hurrikane auch immer wieder gigantische wirtschaftliche Verluste.“ Hurrikan Katrina habe Schäden über 100 Milliarden Dollar verursacht. Wolle man solche Schäden in Zukunft vermeiden, dann müsse man sicherer und vor allem nicht mehr zu nah an der Küste bauen.
Die Empfehlung des Wissenschaftlers an die Politik lautet: „Eine kluge Politik sollte immer versuchen, die eigene Bevölkerung mit Weitsicht zu schützen. Dies allein sollte als Argument für besseren Klimaschutz und respektvolleren Umgang mit Natur und Rohstoffen schon ausreichen, selbst wenn es beispielsweise höhere Energiekosten mit sich bringt. Der wichtigste Rat ist wahrscheinlich, dass wir noch stärker berücksichtigen müssen, dass die meisten der jetzt angestoßenen Veränderungen des Klimas sich nicht wieder rückgängig machen lassen, wenn wir feststellen, dass die Folgen für uns sehr schädlich sind.“
Auch Hurrikan Katrina habe 2005 eine große Debatte ausgelöst und das Thema Klimawandel damit wesentlich ins Bewusstsein vieler Menschen gerückt. Ich nehme an, dass man sich auch nach Harvey und Irma wieder intensiver in der Öffentlichkeit mit dem Thema auseinandersetzt und feststellt, wie dringend es ist, die Ursachen des Klimawandels zu bekämpfen, um zu vermeiden, dass Klimaextreme immer zerstörerischer werden.“
Text & Foto: Pressestelle Goethe-Universität