Mitten im Leben und doch am Rand wohnen etwa 80 Bewohner der Siedlung Bonameser Straße in 20 Häusern und ebenso vielen Wohnungen. Nördlich der Autobahn 661, zwischen den Stadtteilen Bonames, Eschersheim und Frankfurter Berg, liegt eine Siedlung, deren Existenz wenig bekannt ist: der Wohnwagenstandplatz Bonameser Straße.
Die Wurzeln der dort ansässigen Mitbürger, überwiegend ambulante Gewerbetreibende, lassen sich jedoch lange in Frankfurts Geschichte zurückverfolgen. Zur Errichtung des Wohnwagen-Abstellplatzes im Jahr 1953 führte die Situation nach dem 2. Weltkrieg: Innerhalb des zerstörten Stadtgebietes nutzten Menschen verschiedene Grundstücke zum Leben im Wohnwagen.
Zu einem großen Teil standen diese auf Flächen, die traditionell bereits vor 1933 zum Abstellen der Wagen gedient hatten: in der Umgebung der Großmarkthalle, des Ostparks und des Festplatzes am Ratsweg.
Verschiedene Ämter und Institutionen übten einen stetig zunehmenden Druck auf den Magistrat aus, diesen Zustand zu beenden. Beschwerden der Bevölkerung verstärkten den Druck und forderten ein Eingreifen der Stadt. Seit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 sahen die Kommunen allgemein eine Aufgabe in der Vertreibung von Landfahrern und anderen Minderheiten aus ihrem Verwaltungsgebiet.
Ambulante Gewerbetreibende kamen mit ihren Wohnwagen, immer mehr in Verruf. So traf auch diese der städtische Bannstrahl. Sie wurden auf einen Platz am damaligen Stadtrand „abgeschoben“. Damals wurden an die 1000 Menschen „umquartiert“. Doch seitdem hat sich die Zahl über die Jahre immer weiter reduziert. Und die Stadt bzw. ihr Subunternehmen (Gemeinnützige Gesellschaft für Wohnheime und Arbeiterwohnungen) sorgten mit feinem Druck (Zuzugssperre) dafür, dass die Zahl nicht wieder zunahm. Das Gelände befindet sich seit 1984 auf vertraglicher Grundlage in der Verwaltung der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG Holding.
Die Bewohner schlossen sich zusammen, um die Interessen der Wohnwagengemeinde nach außen besser vertreten zu können. Im Gegenzug zu den inzwischen erhobenen Gebühren verlangten sie einen Miet- oder Pachtvertrag und eine öffentliche Telefonzelle, um z. B. nachts einen Arzt rufen zu können. Auch in der Stadtverwaltung fand Anfang der 1970er-Jahre ein Umdenken statt. So beschloss der Magistrat Sanierungsmaßnahmen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse. Die erste Spielstube in Deutschland wurde 1965 auf dem Wohnwagenstandplatz Bonameser Straße gegründet.
Zugleich nahmen die Bewohner durch Eigeninitiative Einfluss auf ihre Situation, indem sie die Wege, Waschgelegenheiten, den Brandschutz, ihre Wohnbauten verbesserten und eigene Wasserleitungen verlegten.
Familien der Wohngemeinschaft Bonameser Straße bangten um ihr Zuhause
Die Bewohner der Wohngemeinschaft Bonameser Straße hatten Angst davor, aus ihrem Zuhause vertrieben zu werden. Alte Nutzungsverträge wurden nicht an die Nachkommen übergeben. Stattdessen drohte den Bewohnern die Zwangsräumung. Manche Familien erhielten von der Stadt bereits die Kündigung ihrer Pachtverträge. Wurde eine Parzelle geräumt, durfte sie nicht mehr bebaut werden. Nicht einmal von Familienmitgliedern.
Der Nutzungsvertrag, der zum Beispiel auf den vor einigen Jahren verstorbenen Vater lief, wurde von der städtischen Wohnheim GmbH nicht auf die Nachkommen übertragen. Nur als langjähriger Pächter und „Haushaltsvorstand“ hatte man noch ein Bleiberecht mit seiner Familie. „Unsere Eltern konnten kaum lesen, als sie das damals unterschrieben haben. Es hat sie niemand darauf hingewiesen. Wir fühlen uns über den Tisch gezogen“, berichtete Artist Adi Fletterer. Mit ihrer Vorgehensweise versuchte die Stadt offenbar sich das Gelände still und heimlich wieder zurückzuholen. Einzelne Pächter stritten um ihren Verbleib rechtlich mit der ABG Holding, die das Gelände inzwischen für die Stadt verwaltete.
Den rund 80 verbliebenen Menschen soll ihr Platz nun mit Mietverträgen dauerhaft gesichert werden. Möglich ist dies durch den Anfang des Jahres vollzogenen Betreiberwechsel: Die städtische Wohnungsbaugesellschaft ABG übergab an die Konversions- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft Frankfurt (KEG). Die bis dahin bestehenden Nutzungsverträge wurden aufgelöst. Bei der Stadt ist nun nicht mehr das Amt für Bau und Immobilien verantwortlich, sondern das Jugend- und Sozialamt.
Die Vertragskonditionen sollen gleichbleiben. Die neuen Verträge sollen den auf dem Platz lebenden Menschen Sicherheit und Perspektive geben. Ende des Jahres, spätestens aber im ersten Quartal 2025, sollen alle auf dem Platz lebenden Menschen einen aktuellen, gültigen Mietvertrag haben.
Verbunden sei dies mit dem Ziel einer langfristigen Nutzung der Siedlung sowie einer Verbesserung der dortigen Lebensbedingungen. Gemeinschaftseinrichtungen wurden instandgesetzt. Parallel dazu habe das Quartiersmanagement ein Konzept für die Tätigkeit der Gemeinwesenarbeit erarbeitet, das auch der Stabilisierung der Nutzung dienen soll.
Schon jetzt findet eine niedrigschwellige Formularberatung statt, die die Bewohner nutzen können, um Unterstützung bei der Beantragung von Leistungen zu erhalten. Das Jugend- und Sozialamt zieht schon jetzt nach 5 Monaten eine erste positive Bilanz.
Ziel all dieser Maßnahmen ist letztlich dem Prozess der kulturellen Ausgrenzung aufgrund von Wohnform und Lebenswirklichkeit entgegenzuwirken. Neben einem umfassenden Netzwerk, für das nun die Basis geschaffen wurde, sind auch städteplanerische Prozesse sowie eine bessere Anbindung der Wohnsiedlung an den ÖPNV angedacht.