Schlagwort: Industriedenkmal

Die Gebäude der „Deutsche Carbone“ ein Industriedenkmal

Die Firma Mersen in Kalbach

In der Talstraße 112 stehen Backsteinbauten. Es sieht aus und riecht wie Fabrik und tatsächlich, wurde sie 1897 in Frankfurt unter dem Namen »Societe anonyme le Carbone« gegründet, mit dem Geschäftszweck „Fabrikation und Verkauf der in der Elektrizität angewandten Kohlen“ auf preußischem Territorium.

Die heutige Mersen Deutschland Holding GmbH & Co KG, eine Tochtergesellschaft der französischen Unternehmensgruppe Mersen S.A., ist nun seit 126 Jahren in Frankfurt-Kalbach ansässig. Sie überstand ohne Eigentümerwechsel zwei Weltkriege.

1923 wurde die »Societe anonyme le Carbone« AG in die die Kohlebürstenfabrik »Deutsche Carbone AG« umgewandelt. Nach einem Umbau und der Neueinrichtung der Fabrik 5 Jahre später konnte sich die Firma fest am Markt etablieren. Im Verlauf der weiteren Unternehmensgeschichte kam es auf Grund der erfolgreichen Geschäfte kontinuierlich zu Kapazitätserweiterungen und Kapitalerhöhungen.

„1943 setzte die Firma nachweislich 44 Zwangsarbeitskräfte aus Frankreich ein, darunter war eine Frau. Eine der Baracken des Lagers steht heute noch und wurde vom Denkmalamt dokumentiert. Es handelt sich um die einzige noch erhaltene Zwangsarbeiterbaracke in Frankfurt. Die Polizei meldete in der Nachkriegszeit, dass das Lager von November 1942 bis zum Einmarsch der Alliierten bestand, wie ein Dokument aus den Arolsen Archives belegt. Zudem ging sie davon aus, dass bis zu 50 Zwangsarbeiter im Lager untergebracht waren.“ (Quelle: Historisches Museum Frankfurt)

Zwangsarbeiterlager - Deutsche Carbone AG

Foto: Unbekannt, ca. 1900, Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt
Abbildung: schwarz-weiß Fotografie der Fabrik Carbone AG, Außenansicht

Zuletzt wurde 1989 eine neue Betriebshalle für den unternehmensinternen Werkzeug- und Maschinenbaubereich eingeweiht.

2010 wurde die damalige Mutter-Firma „Carbone Lorraine“, die in über 40 Ländern weltweit Geschäfte betreibt in Mersen S. A. umbenannt. Dieser Name ist zum einen eine Hommage an Marin Mersenne, Mathematiker und Philosoph des 17. Jahrhunderts, zum anderen aber auch die Abkürzung von Material, Electrical, Research, Sustainable, Energy (Material, Elektrisch, Forschung, Nachhaltigkeit, Energie). Die Firma Mersen beschäftigt 7.000 Mitarbeiter in 40 Ländern. Der Umsatz weltweit liegt bei einer Milliarde Euro.

Im selben Jahr (2010) verkaufte die Firma 22.000 Quadratmeter ihres Areals an die Stadt Frankfurt. Aus einer möglichen Expansion wurde allerdings nichts. Die Immobilie wurde von der Stadt erworben, um eine geordnete städtebauliche Entwicklung in diesem Teil Kalbachs zu gewährleisten und dem Unternehmen zu der benötigten Liquidität zu verhelfen. Der Verkaufserlös sollte von dem Unternehmen genutzt werden, um die Produktionsanlagen zu modernisieren und damit den Standort Kalbach dauerhaft zu sichern.

Mersen verzeichnet hier in Kalbach eine ständig wachsende Nachfrage aus dem Bereich der erneuerbaren Energien und der Elektroantriebe. Die Firma ist ein Produzent von technischen Bauteilen und Zubehörmaterial für elektrische Motoren.

Sie beschäftigte mal über 659 (Stand 1973) Mitarbeiter vor Ort. 2010 waren es dann schon nur noch 55 und 25 von ihnen wurde auch noch gekündigt. Teile der Produktion wurde 2015 von Kalbach in das französische Werk nach Amiens verlagert.

Im Jahr 2009 wurde die Automobil-Kohlesparte an das Unternehmen AVO Carbon ausgelagert. Derzeit produziert AVO Carbon die Kohlebürsten ausschließlich auf dem Gelände von MERSEN.

Zu den hauptsächlich vertriebenen Produkten gehören unter anderem Kohlebürsten, Messgeräte und Pflegemittel. Darüber hinaus werden auch Leistungsbürsten, Erdungsbürsten, Stromübertragung, Blitzschutz sowie Dienstleistungen wie Motoranalysen und Vor-Ort-Revisionen angeboten.

Die Bedeutung der Firma für den Ort ist so groß, dass eigens eine Straße nach ihr benannt wurde. Selbst im Weltraum findet man Produkte von Mersen. Die Hochpräzisionsmotoren des NASA Mars-Rovers „Opportunity“, der seit vielen Jahren ohne Unterbrechung den roten Planeten erkundet, sind mit Kohlebürsten zur Stromübertragung aus Kalbach ausgestattet.

Im Mai 2023 ist die Firma Mersen nun von der Talstraße 112 nach Bad Homburg in die Gartenstraße 25-29 umgezogen. Das bedeutet, dass zurzeit nur noch die Firma AVO Carbon in der Talstraße verblieben ist. Da das Gelände von einem Privatinvestor erworben wurde, zahlt AVO Carbon seine Miete nicht mehr an Mersen, sondern an den neuen Investor.

Mit großer Mehrheit hat sich der Ortsbeirat 12 nun dafür ausgesprochen, dass das alte Kalbacher Werksgebäude unter Denkmalschutz gestellt wird, da der Bau „stadtteilprägend“ sei.

Lange Zeit sei es der Hauptarbeitgeber für die Bewohner der einst selbstständigen Gemeinde gewesen. „Da es sich bei dem Backsteingebäude in Frankfurt um einen der wenigen verbliebenen typischen Industriegebäude handelt, ist dieses erhaltenswert und denkmalschutzwürdig“, heißt es in dem Antrag.

Im Mai 2023 hatte das Gremium beschlossen, dass an dem Gebäude eine Gedenktafel angebracht werden soll, zur Erinnerung an die dort beschäftigten Zwangsarbeiter.

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