Das Oberurseler Café „coffee, brownies & downies“ sorgt weiter für Aufsehen. Nachdem das innovative Gastronomiekonzept erst im August 2025 eröffnet wurde, folgte nun im Dezember die erste große branchenweite Anerkennung: Die Gründer Max Luscher und Roland Braza wurden in Düsseldorf mit dem renommierten „Hospitality HR Award“ der Deutschen Hotelakademie (DHA) ausgezeichnet. Der Preis in der Kategorie „Human Resources Management Next Level“ würdigt den Ansatz, Menschen mit Behinderung nicht als Sozialprojekt, sondern als feste wirtschaftliche Größe in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.
Vom Herzen in den Markt: Ein neues Modell der Systemgastronomie
Hinter dem Erfolg stehen zwei Väter, die persönliche Betroffenheit in unternehmerischen Tatendrang verwandelt haben. Max Luscher, ehemaliger Geschäftsführer der B&B Hotels Gruppe für Zentral- und Nordeuropa, und sein Geschäftspartner Roland Braza haben beide Kinder mit einer Schwerbehinderung. Ihr Ziel war es, faire Arbeitsbedingungen mit wirtschaftlichem Erfolg zu verknüpfen.
Das Team in der Kumeliusstraße 2-4 besteht aus rund 20 Mitarbeitern, von denen 10 eine Schwerbehinderung haben. Dabei grenzt sich das Unternehmen bewusst von klassischen Werkstätten oder reinen Wohltätigkeitsprojekten ab. „Wir etablieren eine moderne, menschenzentrierte Arbeitskultur, die gleichermaßen leistungsstark wie wertschätzend ist“, erklärt Luscher. Alle Angestellten erhalten mindestens den gesetzlichen Mindestlohn. Die Jury des Awards hob hervor, dass hier bestehende Förderinstrumente genutzt werden, um Inklusion wirtschaftlich tragfähig zu gestalten. Luscher erläutert, dass Lohnkostenzuschüsse des Landes Hessen zwischen 50 % und 70 % die geringere Produktivität oder den höheren Betreuungsaufwand ausgleichen.
Vereinfachte Prozesse als Schlüssel zum Erfolg
Damit die Zusammenarbeit von Menschen mit und ohne Behinderung reibungslos funktioniert, setzt das Café auf den Abbau von Barrieren in den Arbeitsabläufen. Komplizierte Handgriffe, wie etwa die manuelle „Latte Art“ durch einen Barista, entfallen; stattdessen werden Maschinen per Knopfdruck bedient. Auch im Service geht man neue Wege: Tischnummern wurden durch Bilder ersetzt, bestellt und bezahlt wird digital über QR-Codes.
Dieser Ansatz scheint aufzugehen. Bereits kurz nach der Eröffnung avancierte das Lokal zum bestbewerteten Café im Umkreis. Auch die Personalsuche verlief antizyklisch. Statt sich auf Arbeitsämter zu verlassen, nutzten die Gründer »Social Media Kanäle« und Öffentlichkeitsarbeit, woraufhin sie von Bewerbungen „überrannt“ wurden.
Kontroverse um den Namen
Trotz des wirtschaftlichen Erfolgs und der Auszeichnung gibt es Kritik, die sich primär an der Namenswahl entzündet. Der Begriff „downies“ im Namen „coffee, brownies & downies“ stößt bei Vertretern von Behindertenverbänden auf Ablehnung. Naxina Wienstroer, Vorsitzende des Landesbehindertenrats Hessen, bezeichnete die Namenswahl als „völlig indiskutabel“. Der Begriff werde von vielen Betroffenen als beleidigend und verniedlichend empfunden. Wienstroer fordert eine Umbenennung, da man sonst nicht glaubhaft von Inklusion sprechen könne.
Max Luscher verteidigt die Wahl als bewusstes Mittel, um Aufmerksamkeit zu generieren: „Ein bisschen Frechheit ist immer wichtig bei einer Geschäftsidee“. Er betont, dass keine Beleidigung beabsichtigt sei und das eigene Team kein Problem mit dem Namen habe. Zudem stellte Luscher klar, dass keine Verbindung zur niederländischen Kette „Brownies & downies“ besteht, die ein ähnliches Konzept verfolgt.
Große Visionen für die Zukunft
Der Gewinn des HR Awards bestätigt die Gründer in ihrem Kurs. Das Konzept ist als Franchise-System angelegt. Die Vision ist ambitioniert: Das Modell soll als „Lawine“ in andere Städte getragen werden, mit dem Ziel von bis zu 100 Standorten in Deutschland. Damit wollen Luscher und Braza beweisen, dass Inklusion im ersten Arbeitsmarkt skalierbar ist und ökonomischen Gewinn mit sozialer Verantwortung vereinen kann.
