Kalbach-Riedberg: wo Frankfurter Stiftungen ihre Wiege haben

Buchmann Institute for Molecular Life Sciences

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Etwa im Jahre 754 zog ein Leichenzug frommer Gläubiger mit ihrem kürzlich verstorbenen Heiligen Bonifatius nach Fulda, um ihn dort zu bestatten. Der Weg führte über den Riedberg (der aber damals noch anders genannt wurde). Hier machte die Mannschaft Rast und erholte sich von den Strapazen des Transportes. Der heilige Bonifatius sorgte mit seiner mystischen Kraft dafür, dass an der Raststätte eine Quelle entstand, die den Durst der Menschen labte.

Eine fränkische Freie Bürgerin, christlichen Glaubens, verschenkte (stiftete) diesen Acker, auf dem der Leichenzug Rast gemacht hatte an eben jenes Kloster in Fulda. Die begünstigten Mönche dieses Klosters errichteten auf dem Stiftungsgrund ein Kreuz und eine Kapelle, die sich im Laufe der Zeit zur Crutzenkirche weiterentwickelte.

Die nächste Stiftung folgte 40 Jahre später, als König Ludwig der Deutsche eine Kapelle für die Pfalz Frankfurt errichten ließ. Sie war die Vorgängerin des Frankfurter Doms. Als Gegenleistungen für damalige Stiftungen mussten die Mönche für das Seelenheil der Schenkenden beten.

Der Stiftungsboom begann dann etwa Mitte des 12. Jahrhunderts. Dank mehrerer Stiftungen von Bürgern entsteht 1228 in Frankfurt das erste Kloster der Weißfrauen in Deutschland.
1267 wird die Stiftung „Hospital zum Heiligen Geist“ gegründet.

Auf dem (Unicampus) Riedberg sind gleich mehrere Stiftungen vertreten:

  • Die Goethe-Universität wurde unter dem Namen „Königliche Universität zu Frankfurt am Main“ 1914 als erste deutsche Stiftungsuniversität der Neuzeit eröffnet. Wilhelm Merton war dabei der wichtigsten Stifter. Seit 2008 ist die Goethe-Universität eine Stiftungshochschule (Stiftung des öffentlichen Rechts).
  • Die Familie Giersch stiftete auf dem Campus Riedberg das Science Center als Wissenschaftszentrum für mehr als 250 Forscher (Frankfurt Institute for Advanced Studies).
  • Die Josef-Buchmann-Stiftung errichtete das Institute for Molecular Life Sciences.
  • Die Stiftung zur Förderung der internationalen wissenschaftlichen Beziehungen der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität errichtete das »International House Campus Riedberg« zusammen mit einem Studierendenwohnheim des Studentenwerks Frankfurt.
  • Die Oswalt-Stiftung fördert junge Wissenschaftler sowie technische Entwicklungen am Max-Planck-Institut für Biophysik.
  • Die Lebenshilfe Stiftung Frankfurt unterhält in der Graf-von-Stauffenberg-Allee ein inklusives Wohnprojekt.
  • Die Crespo Foundation unterhält einen Eltern-Kind-Treff an der Riedbergallee 15 (Babylotsen).
  • Die Stiftung Waisenhaus hat am Riedberg zahlreiche Grundstücke in Erbpacht an Bauinteressenten vergeben und betreibt das Mutter-Kind-Haus.

Wie man sieht, sind von den 700 Stiftungen, die es allein Frankfurt gibt, schon eine ganze Reihe am Riedberg vertreten. Bundesweit sind es übrigens 25.000 Stiftungen und jedes Jahr kommen etwa 700 neu dazu.

Ihre gemeinsamen Interessen haben sie seit 1993 in der Initiative Frankfurter Stiftungen e. V. gebündelt. Einmal im Jahr wird ein großes Treffen in Zusammenarbeit mit der IHK Frankfurt organisiert, wo sich Stiftungsvertreter, Politik und Wirtschaft treffen und gemeinsam über zukünftige Entwicklungen nachdenken.

Bundesweit gesehen, ist Frankfurt eine der wichtigsten Stiftungsstädte Deutschlands. Stiftungen haben hier eine sehr lange Tradition und sind tief in der Gesellschaft verwurzelt. Mit den Stiftungen eng verbunden ist viel ehrenamtliche Arbeit. Etwa 80 % der Stiftungsvermögen sind kleiner als 1 Million, sodass sich die Anstellung fest bezahlter Mitarbeiter nicht rechnet.

Stiftungen werden grob unterteilt in Ewigkeitsstiftungen und Verbauchsstiftungen, bei denen das Kapital langsam aufgezehrt wird. Der Stiftungszweck gibt weitere Möglichkeiten zur Unterscheidung (Karitative Stiftungen, Stiftungen zur Förderung von Kunst, Kultur, Wissenschaft, Natur, Existenzgründer, …).

Welche Funktionen nehmen Stiftungen in der Gesellschaft wahr:

  • Als Lückenfüller helfen sie Menschen, denen der Staat (noch) nicht helfen kann und die auch von anderer Seite keine Unterstützung bekommen. (Beispiel: Stiftung Franziskustreff)
  • Als „Stabilisatoren des Systems“ springen sie ein, wenn plötzliche Notlagen auftreten. (zum Beispiel Flüchtlingswellen)
  • Als „Think Tanks“ schaffen sie neue Ideen und Ansätze, die sich aus ihrem Netzwerk heraus entwickelt haben.
  • Als „Multiplikatoren“ verhelfen sie Ideen zum Durchbruch.
  • Retter: Durch ihre Unabhängigkeit können sie schnell und gezielt da eingreifen, wo die Not am größten ist.
  • Fachkräftepool: Durch ihre zahlreichen Kontakte können sie die richtige Person für eine schwierige Aufgabe finden.
  • Kommunikationszentren: Der ständige Gedankenaustausch mit Projektleitern schafft einen Blick über den Tellerrand hinaus.
  • Ewigkeitsfiktion: Die meisten Stiftungen sollen eigentlich nie untergehen. Dadurch entwickeln ihre Vertreter einen Blick, abseits von aktuellen Modetrends hin zu nachhaltigen Entwicklungen. Daher sind die Mitarbeiter vom Typus her auch notorische Optimisten.
  • Gamechanger: So manche Förderung wird auch darauf verwandt, bestehende Strukturen zu verändern und Neues auszuprobieren.

Auch heute noch ist der typische Stifter in der Regel ein Mann, im Alter zwischen 50 und 55 Jahren und von Beruf Unternehmer. Ein Ansporn für Frauen auch auf diesem Gebiet aufzuholen.

Während in der Vergangenheit Stiftungen als statische Vermögensmassen betrachtet wurden, haben sie sich inzwischen zu agilen Projektteilnehmern weiterentwickelt. Sie öffnen ihr Netzwerk inzwischen vermehrt in die Mitte der Gesellschaft hinein. Für ehrenamtliche Mandatsträger der Vereine eine gute Gelegenheit, sich mit Stiftungsvertretern auf Augenhöhe einmal zu unterhalten.

FIAS Gebäude der Stiftung Giersch

Gebäude der Stiftung Giersch

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