Fernwärme: Anschlüsse sind „tendenziell überdimensioniert“

Die neuen Mainova-Tarife für Fernwärme sorgen auch Wochen nach der Einführung für Diskussionen. Die neuen Verträge gelten seit Jahresbeginn. Das betrifft alle Riedberger, da hier ein Anschlusszwang für diese umweltfreundliche Energieform gilt. Ein Kunde aus dem Stadtteil hat Marktmissbrauchsbeschwerde beim Kartellamt gegen das neue Preissystem eingelegt. Die Mainova spricht unterdessen von Transparenz, leichter Entlastung, verweist auf 150 Millionen Euro Investitionen und neue Entwicklungen auf dem Wärmemarkt.

Außerdem hat man festgestellt, dass „viele Anschlüsse an die Fernwärme in der Vergangenheit tendenziell überdimensioniert“ wurden. Auch am Riedberg. Der Energieversorger informiert und unterstützt nun, dass Kunden ihre Anschlüsse optimieren.

Hier die wichtigsten Fragen – und Antworten:

Was hat sich seit dem 1. Januar 2018 geändert?

Die Kosten für die Fernwärme setzen sich aus dem Grundpreis für die Bereitstellung der Fernwärme und aus dem Arbeitspreis, also dem Preis für den tatsächlichen Energieverbrauch, zusammen. Der Grundpreis hat sich jetzt von netto 19,89 Euro pro Kilowatt vorgehaltener Wärmeleistung auf 39,60 Euro verdoppelt. Diese Erhöhung ging mit einer geringen Absenkung des Arbeitspreises von 5,93 auf nun 5,30 Cent pro Kilowatt-Stunde einher. Kritiker argumentieren: Damit werde Energiesparen bestraft.

Wie wird der Wärmebedarf und damit die Anschlussleistung festgelegt? Das heißt auch: Wer oder was bestimmt, wie viel wir Kunden als Grundpreis zahlen?

Die Anschlussleistung der Fernwärme-Übergabestation richtet sich nach dem Wärmebedarf des Hauses. Diesen lässt der Kunde in der Regel beim Einbau der Anlage von einem Installateur ermitteln und teilt ihn dem Energieversorger mit. Ändert sich der Wärmebedarf beispielsweise im Zuge von Dämmmaßnahmen oder einer veränderten Bewohnerzahl, sollte die Anschlussleistung entsprechend angepasst werden, heißt es bei der Mainova.

Das neue Fernwärme-Preissystem setzt nun eine „optimal ausgelegte technische Anlage beim Kunden voraus“, so Pressesprecherin Ulrike Schulz. Das bedeutet: Überdimensionierte Anschlussleistungen führen im neuen Preissystem zu deutlich steigenden Kosten aufgrund der Erhöhung des Anteils des Grundpreises. Hintergrund ist aber auch, dass sich zunehmend Großkunden für die Fernwärme interessieren. Die notwendigen Kapazitäten dafür sind aber derzeit begrenzt.

Stimmt es, dass Anschlüsse am Riedberg teilweise überdimensioniert sind? Sprich: Dass zahlreiche Kunden zu viel zahlen?

Leser haben MAINRiedberg bereits vor Wochen mitgeteilt und auch Besucher des Mainova-Informationsabends berichteten, dass die Heizlast sogar bei Häusern ähnlicher Bauart verschieden sein kann und offensichtlich zu hoch berechnet wurde. Ein Beispiel: So zahlt der Besitzer eines Hauses mit 200 Quadratmetern momentan für weniger Kilowatt Leistung als ein Besitzer eines deutlich kleineren Reihenhauses. Sogar unmittelbare Nachbarn in fast deckungsgleichen Häusern zahlen teils unterschiedlich viel.

Bisher lag laut Mainova dennoch kein Anreiz vor, die Anschlussleistung zu optimieren. Die Leistungen müssen aber vorgehalten werden, auch wenn sie nicht abgerufen werden.

Albana Lekiqi, Projektleiterin Wärmeabrechnung, Thomas Gebhart, Leiter Fernwärme, und Jörg Schulze Steinen, Abteilungsleiter Vertrieb Privat- und Gewerbekunden, beantworteten am Info-Abend der Mainova Mitte Februar die Fragen der Kunden (Foto: MAINRiedberg)

Was können Hausbesitzer jetzt tun?

Die Mainova empfiehlt Hauseigentümern, im Zweifel einen Energieberater bzw. einen Heizungsinstallateur zu engagieren, um die optimale Anschlussleistung anhand einer DIN-gerechten Heizlastberechnung zu ermitteln. Diese bildet dann die Basis für eine mögliche Leistungsreduzierung des Fernwärmeanschlusses.

Es gibt Indizien, wo auch Kunden selbst erkennen können, dass Handlungsbedarf besteht: Das kann an den sogenannten Vollbenutzungsstunden erkannt werden. Gut ausgelegte Heizungsanlagen erreichen etwa 1.200 bis zu 1.800 Vollbenutzungsstunden. Diese kann der Kunde ganz einfach selbst ausrechnen, indem er seinen Jahresverbrauch an Wärme (kWh) durch die Anschlussleistung (kW) teilt. Die notwendigen Angaben finden sich in der Fernwärme-Jahresrechnung. Die Vollbenutzungsstunden sind aber nur eines von mehreren Kriterien.

Das Problem ist allerdings: Mieter haben in der Regel keine Kenntnis über die Anschlussleistung der gesamte Anlage und wissen somit nicht, ob sie umgerechnet „zu viel“ zahlen. Hier betont die Mainova, dass man insbesondere mit den Wohnungsbaugesellschaften ABG und Nassauische Heimstätte in engem Kontakt stehe, um Einsparpotentiale zu finden.

Wie viel kostet diese Energieberatung? Beteiligt sich auch die Mainova daran?

Die Kosten der Netzdienste Rhein-Main für An- und Abfahrt sowie Montage von rund 100 bis 150 Euro brutto werden von Mainova übernommen. Die Kosten für einen Energieberater / Heizungsinstallateur für die normgerechte Heizlastabrechnung sind abhängig von den Gegebenheiten vor Ort. Sie trägt der Eigentümer. Mainova gewährleistet im Rahmen seines Klima-Partner-Programms einen Zuschuss von bis zu 100 Euro für die erforderliche normgerechte Heizlastabrechnung.

„Gerne unterstützen wir unsere Kunden bei der Suche nach einem geeigneten Installationsbetrieb. Hierzu haben wir Ihnen eine Auswahl an Fachbetrieben bzw. Heizungsinstallateuren zusammengestellt“, heißt es bei der Mainova. Energieberater in der Nähe finden sich auch über das Deutsche Energieberater-Netzwerk e. V. unter www.den-ev.de.

Ab wann muss man dann weniger zahlen? 

Nachdem wir den Auftrag zur Reduzierung der Anschlussleistung mit den entsprechenden Unterlagen vom Kunden erhalten haben, vereinbart ein Mitarbeiter der Mainova-Tochter Netzdienste Rhein-Main (NRM) einen Termin zur Anpassung der Anschlussleistung vor Ort. Die Auskunft der Mainova: „Unabhängig von der tatsächlichen Umstellung beim Kunden berücksichtigen wir die verminderte Anschlussleistung ab dem Zeitpunkt des Eingangs der Unterlagen bei uns.“

Werden auch all die Fernwärme-Kunden informiert, die bisher noch nichts davon wissen?

Pressesprecherin Ulrike Schulz: „Wir informieren unsere Kunden schrittweise über die Bedeutung einer optimal eingestellten Anschlussleistung ihrer Fernwärme-Übergabestation.“ Dabei habe man zunächst Kunden mit ungewöhnlich niedrigen Vollbenutzungsstunden angeschrieben, die auf einen überdimensionierten Anschlusswert hinweisen.

Es wurde ein Leitfaden entwickelt, der dem Kunden die Vorgehensweise zur Überprüfung seines Anschlusswertes erklärt. Der „Antrag zur Förderung einer normgerechten Heizlastabrechnung“ steht im Internet unter www.mainova.de/fernwaerme zum Download zur Verfügung.

Für Informationen zur Anpassung der Anschlussleistung ist die Mainova unter 0800 589 456 8 (kostenfrei für Anrufer aus dem Festnetz) oder 069 800 88 0 23 (Ortstarif für Mobilfunk) zu erreichen oder per Mail unter fernwaerme@mainova.de.

So startet ein Youtube-Video der Mainova zum Thema Fernwärme und neue Verträge

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Recherche: MAINRiedberg

Foto: Archiv

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