Wird alles „noch schlimmer“? So lautet die provokante Prognose des Stadtelternbeirats, was den Mangel an Schulplätzen im Frankfurter Norden betrifft. Im Fokus sind die weiterführenden Schulen, vor allem das Brennpunkt-Thema Gymnasien. Die Elternbeiräte der Riedberger Grundschulen sind deshalb auch in den Ferien aktiv und haben in der vergangenen Woche einen offenen Brief an die neue Integrations- und Bildungsdezernentin Sylvia Weber (SPD) geschrieben. Denn die Zahl der Kinder wächst nicht nur in unserem Stadtteil wesentlich schneller als erwartet. Auch die neue IGS, die in einem Jahr als Provisorium im Westflügel startet, wird den Bedarf voraussichtlich nicht decken. Die Eltern fordern: „Der Norden braucht schnell ein weiteres Gymnasium in Ffm Riedberg-Kalbach.“
Wer den Brief an die Nachfolgerin von Sarah Sorge (Grüne) liest, bemerkt: Den Elternvertretern ist es ein Anliegen, nicht nur auf den dringenden Handlungsbedarf hinzuweisen, sondern (endlich) einen Dialog zu führen. Am Ende des Briefes steht der Satz: „Gerne stehen wir auch für ein persönliches Gespräch zur Verfügung und freuen uns, Ihre Rückmeldung zu bekommen.“
Die Elternbeiratsvorsitzenden der beiden Riedberger Grundschulen haben diesen Offenen Brief an die neue Integrations- und Bildungsdezernentin Sylvia Weber verfasst.
Die Fakten: Frühzeitig hatte man – unterstützt durch den Ortsbeirat – um Korrektur der Schulplanungen im Frankfurter Norden gebeten. Denn die Berechnungen des Schulamts spiegelten laut Eltern „von Beginn an falsche Zahlen wider“. Ein Beispiel: Im Herbst 2017 werden mehr als 249 Kinder die „Flex“-Klassen, also die erste und zweite Jahrgangsstufe der Marie-Curie-Schule besuchen. Das entspricht 11 Klassen. In der erst 2014 eröffneten zweiten Grundschule im Stadtteil sind allerdings nur Kapazitäten für 9 Klassen vorhanden. Die Neubau-Komplexe im Quartier Westflügel sind bei dieser Schülerzahl noch gar nicht eingerechnet.
Brennpunkt-Thema Übertritt
Die Probleme verlagern sich weiter Richtung Übertritt. In diesem Schuljahr haben 24 Riedberger Schüler keinen Platz an ihrer Wunschschule bekommen. Das sind fast 20 Prozent der Viertklässler. Die Mehrzahl dieser Kinder und weitere Schüler aus Kalbach haben stattdessen einen Platz am neuen Gymnasium Nord erhalten. Das startet demnächst in Westhausen. Die einfache Fahrzeit würde mit den öffentlichen Verkehrsmitteln rund 40 bis 45 Minuten betragen, da die Kinder erst Richtung Innenstadt und dann wieder gen Nordwesten fahren müssten. Eltern und die Ortsbeiräte hatten eine „Expressbuslinie im Ringsystem“ gefordert – und sind von der raschen Reaktion der neuen Dezernentin dennoch überrascht. Als eine der ersten Amtshandlungen brachte Weber in dieser Woche die Ausschreibung von drei Buslinien für Schüler auf den Weg (MAINRiedberg berichtete). „Ganz klasse“, kommentiert Barbara Günther, Elternbeiratsvorsitzende der Marie-Curie-Schule, die Pläne. Dabei schwingt erstmals auch Erleichterung mit.
Eltern hoffen auf IGS mit Oberstufe
Entlastung, so hofften ursprünglich viele, könnte die neue Integrierte Gesamtschule (IGS) am Riedberg bringen, die im Herbst 2017 eröffnen wird. Auf einem Grundstück zwischen Graf-von-Stauffenberg-Allee / Carl-Hermann-Rudloff-Allee wird alles für die Holzmodule vorbereitet. Auch diese neue Schule wird als Provisorium starten. Mit zunächst 100 Plätzen. Eine Oberstufe ist nicht Bestandteil der Planungen.
Aber genau das würde laut Ansicht von Eltern und Ortspolitikern dringend gebraucht. Der Ortsbeirat hat einstimmig den Antrag gestellt, dass für den Neubau eine Erweiterungsmöglichkeit für eine gymnasiale Oberstufe geprüft werden soll. Der Bau selbst wird in unmittelbarer Nähe der Endhaltestelle der U 8 am Riedberg entstehen. Dort, wo jetzt noch die Container der Max-Beckmann-Schule sind. „Aber bis diese Schule gebaut ist, werden unsere Kinder vermutlich schon selbst in der Oberstufe sein“, meint eine Elternvertreterin lakonisch. Dennoch sei jetzt der richtige Zeitpunkt zu intervenieren, da der Bau noch nicht ausgeschrieben ist und auch das Konzept noch abschließend erarbeitet wird.
Die Eltern haben in puncto Architektur und Schülerzahl eine Turnhalle im Untergeschoss vorgeschlagen, wie das in einigen anderen Schulen in Frankfurt schon realisiert wurde. Auch ein zusätzliches Obergeschoss könnte Kapazitäten für mehr Schüler und Klassen schaffen. Eine Reaktion auf diese Vorschläge gab es bisher nicht.
Die Übergangsquote Richtung Gymnasium liegt am Riedberg bei 67 Prozent, deutlich über dem Frankfurter Schnitt von 50,9 Prozent. Deshalb fordern die vier Elternbeiräte der Riedberger Grundschulen in ihrem Offenen Brief, dass unser Stadtteil schnell ein weiteres Gymnasium bekommen sollte. In wenigen Jahren werden mehr als 15.000 Menschen am Riedberg leben, auch in Kalbach sind es mehr als 5000. Riedberg/ Kalbach ist sozusagen eine wachsende Kleinstadt mitten in der „großen“ Stadt Frankfurt.
Das sagt das Bildungsdezernat
Jetta Lüdecke, Büroleiterin von Bildungsdezernentin Sylvia Weber, erklärt dazu auf Anfrage von MAINRiedberg: „Nicht nur der Riedberg, die gesamte Stadt wächst in einem ungeheuren Tempo. Wir sind gerade erst dabei, den aktuellen und im März genehmigten Schulentwicklungsplan umzusetzen und arbeiten parallel dazu bereits an der Fortschreibung. “ Klar sei, dass die neue Dezernentin – in Verhandlungen mit dem Staatlichen Schulamt, das hier verantwortlich ist – Schülerströme künftig besser lenken und extreme Schulwege vermeiden möchte. Der Forderung nach einem zweiten Gymnasium im Stadtteil setzt man aber entgegen: „Der Hessische Kultusminister hat der Stadt Frankfurt wie beantragt eine IGS für den Riedberg genehmigt. Um den Frankfurter Norden zusätzlich zu entlasten, entsteht perspektivisch zudem noch das Gymnasium Nord im Neubaugebiet Bonames-Ost, das in seinem Provisorium am 29. August in Westhausen eröffnet.“ Der künftige Standort wird direkt per U 9 erreichbar sein. Und die Bitte um mehr Miteinander? „Ich kenne den Brief der vier Elternbeiratsvorsitzenden derzeit noch nicht, aber verstehe die Sorgen der Eltern und stehe gerne für ein Gespräch auch vor Ort zur Verfügung“, so Büroleiterin Lüdecke.
Frankfurts neue Bildungsdezernentin hat vor wenigen Tagen in einem FAZ-Interview von „Versäumnissen in den letzten 25 Jahren“ und von einer „besseren Kommunikation auf Augenhöhe“ gesprochen. Darauf hoffen die Eltern.
Claudia Detsch
(Fotos: Christian Schwier / cd)