Nach einer aktuellen Umfrage des Digitalverbandes Bitkom sind Video- und Computerspiele längst ein Massenphänomen, da über die Hälfte der Deutschen zumindest hin und wieder elektronische Spiele (52 Prozent) spielt. Bei den 16- bis 29-Jährigen spielt mit 87 Prozent der Deutschen der größte Anteil Videospiele. Aber auch unter den Senioren ab 65 Jahren widmet sich inzwischen jeder Fünfte zumindest gelegentlich dem Gaming (20 Prozent).
Also keine Zukunft mehr für die klassischen Karten-, Brett- und Tischspiele? Geht ohne Smartphone, ohne PC und Tablet heutzutage nichts mehr? Gegen diesen offenkundigen Trend stemmen sich die verschiedenen Spielkreise und seit dem Frühjahr auch Frankfurts erste Ludothek.
Eine Ludothek ist – ähnlich einer Leihbibliothek – eine Einrichtung, in der Spiele ausprobiert und/oder ausgeliehen werden können. Hier sind Brett-, Karten- und Gemeinschaftsspiele verfügbar. Oftmals werden dort Spieletreffs sowie Spiele-Nachmittage- und -Abende veranstaltet. Die typische Zielgruppe einer Ludothek sind in erster Linie Kinder und Jugendliche, doch selbstverständlich sind Spielebegeisterte aller Generationen willkommen.
Noch gibt es nicht allzu viele Ludotheken in Hessen. Frankfurts erster Spieleverleih wurde am 25. April im Ben-Gurion-Ring 28 offiziell eröffnet. Dort, im Quartierszimmer des Evangelischen Familienzentrums Regenbogen, können Spielefans in Räumen, die von der GWH gestellt werden, mittwochs und freitags von 15 bis 18 Uhr zusammenspielen und aus einer Auswahl von etwa 500 Titeln ein Spiel ausleihen.
Die Leihdauer beträgt zwei Wochen. Wie in einer Leihbibliothek müssen sich Spieler registrieren und erhalten einen Benutzerausweis. Digitale und Video-Spiele werden nicht angeboten. Zurzeit liegt die Hauptlast der Arbeit bei den Mitarbeiterinnen des Familienzentrums Regenbogen; unterstützt werden sie von „Lotsen“, die ehrenamtlich bei Organisation, Ausleihe und Spielbetrieb helfen. Weitere ehrenamtliche Helfer werden dringend gesucht.
Eine Auswahl der Spielesammlung der Ludothek; Foto: D.Walz
Als MainRiedberg im Familienzentrum am Bügel eintraf, hatte sich bereits eine Seniorengruppe der Evangelische Erwachsenenbildung und Seniorenarbeit eingefunden:
Bei dieser Gelegenheit konnten die Leiterin Frau Michalaki und ihre Kollegin Frau Müller-Hopf den Besuchern einige Erläuterungen zur Ludothek geben und vor allem einige Spiele vorstellen. Selbstverständlich wurde auch gespielt: In kleinen Gruppen konnten die Senioren eine Reihe von Tischspielen selbst ausprobieren.
Die Seniorengruppe der Evangelischen Erwachsenenbildung und Seniorenarbeit; Foto: D.Walz
Aktivitäten wie diese bilden einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit des Familienzentrums und der Ludothek. Es geht darum, über das gemeinsame Spiel Räume und Gelegenheiten zu schaffen, in denen Menschen unterschiedlicher Sprachen und Kulturen und Generation zusammenkommen. Die Gründung einer Ludothek im Ben-Gurion-Ring mag angesichts der heutigen Dominanz digitaler Spiele als ein gewagtes Unterfangen erschein – aber wo könnte Integration besser gelingen als in einem multiethischen, multikulturellen Umfeld der Hochhaussiedlung zwischen Bonames und Nieder-Eschbach?
Die klassischen Tisch- und Gesellschaftsspiele leisten dabei etwas, was digitale Spiele nie leisten können: Hier kommen Menschen von Angesicht zu Angesicht zusammen. Digitale Spiele, auch wenn sie online in Gruppen gespielt werden können, werden nie das persönliche Verhältnis zwischen den Mitspielern ersetzen können.
Dass man sich in der Ludothek am Bügel der digitalen Welt nicht völlig verschließt, zeigte sich beim Besuch der Seniorengruppe, als nämlich auf YouTube verwiesen wurde: Dort sind eine Reihe von Erklärvideos zu finden, die – von erfahrenen Spielern erstellt – die Spielregeln erläutern und nützliche Tipps geben.
Ein weiteres Beispiel bot sich dem Autor dieses Artikels, als das Spiel „Hitster“ vorgestellt wurde: Es handelt sich um ein Party-Kartenspiel, bei dem die Spielenden Titel und Interpret eines populären Songs erraten müssen. Voraussetzung dafür ist die Installation einer kostenlosen App auf dem Smartphone, die den QR-Code auf einer Spielkarte einliest und anschließend den entsprechenden Musiktitel abspielt.
Insgesamt werden digitale Spiele wohl weiterhin das Spieleverhalten der meisten Menschen bestimmen. Der leichte Zugang zu den Spielen – im Bus oder der Straßenbahn, während der Arbeitspause oder im ärztlichen Wartezimmer – sowie die immer wieder beeindruckende audiovisuelle Bilderwelt des Spielgeschehens werden Spielefans auch in Zukunft an Smartphone, PC oder die Spiele-Konsole binden. Die menschliche Nähe und den gemeinschaftlichen Spaß in der Gruppe werden sie jedoch nicht ersetzen können. Damit bleibt der analogen Spielewelt auch in Zukunft sicherlich eine große Fangemeinde erhalten. Letztlich bietet sie eine echte Alternative zur Einsamkeit und Anonymität der virtuellen Welten.
Ludotheken wie diese in Nieder-Eschbach werden ganz gewiss als Vermittlerin der klassischen Brett-, Karten- und Gemeinschaftsspiele ihre Bedeutung bewahren.
Links:
https://www.diakonie-frankfurt-offenbach.de/miteinander-spielen/
weitere Spieletreffs:
https://playce.rocks/
https://www.spielkultur-frankfurt.de/
https://socialmatch.de/blog/5-brettspiele-in-frankfurt/
Statistiken zu Gesellschaftsspielen:
https://de.statista.com/themen/4459/gesellschaftsspiele/#topicOverview