Kassenärztliche Vereinigungen – ein Saurier aus der NS-Zeit

Stethoskop

Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Deutschland die Krankenversicherungspflicht für Arbeiter eingeführt. Die Krankenkassen hatten damals ein Vertragsmonopol. Zur Abwendung eines Ärzte-Streiks 1913 griff die Regierung ein. Sie vermittelte die Anfänge der gemeinsamen Selbstverwaltung von Krankenkassen und Kassenärzten (später: Reichsausschuss der Ärzte und Krankenkassen).

Durch die Verordnung über die Kassenärztliche Vereinigung Deutschlands vom 1933 wurden die regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen abgeschafft und eine vom NS-Staat gelenkte einheitlich-deutsche Kassenärztliche Vereinigung gebildet, die der NS-Diktatur im Rahmen der Gleichschaltungsgesetze die juristischen Machtmittel in die Hände gaben, ihr Regime aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen wurden damit von einer Interessenvertretung der Ärzte in ein parastaatliches Exekutivorgan umgewandelt.

Nach 1945 wurde dieser Status beibehalten. Die Kassenärzte haben sich somit durch die Gründung der Kassenärztlichen Vereinigungen einerseits mehr Rechte (Selbstverwaltung, Kollektivverträge, Aushandlung von Honorarvereinbarungen und Zulassungsbestimmungen), andererseits jedoch auch Pflichten (vor allem den „Sicherstellungsauftrag“) gegen die anfängliche Übermacht der Krankenkassen erkämpft. Im Gegenzug mussten sie auf das Streikrecht verzichten.

In der gesundheitspolitischen Diskussion werden die kassenärztlichen Vereinigungen vonseiten der Politik kritisiert: sie seien „Wettbewerb verhindernde Monopole und Kartelle“. Es wird bemängelt, dass einzelne KVen immer mehr die Interessen des Berufsstandes vertreten und so der Sicherstellungsauftrag einseitig wahrgenommen wird.

Ärztliche Unterversorgung am Riedberg

Schon 2016 wurde in der Presse berichtet, dass sich die Beschwerden über zu wenig Ärzte auf dem Riedberg häuften. Trotzdem plant die Kassenärztliche Vereinigung Hessen keine weiteren Ärzte zuzulassen. Weil die Stadt Frankfurt insgesamt überversorgt ist.

„Stellen sie sich vor, sie sind auf den Riedberg gezogen und brauchen einen Hausarzt. Am besten direkt im Stadtteil. Das könnte sich schwierig gestalten – auf die rund 12.000 Bewohner in Frankfurts jüngstem Stadtteil kommen nämlich gerade einmal 2 Hausärzte. Und die haben viel zu tun.“ so schrieb die Presse damals.

Und was hat sich seitdem geändert? Es sind weitere 4.000 Bewohner auf den Riedberg gezogen. Das Fachärztezentrum (FÄZ), das zur Stiftung Hospital zum Heiligen Geist gehört, stand 2020 vor dem Aus. Das FÄZ versprach einen nahtlosen Übergang, um die ärztliche Versorgung in Kalbach-Riedberg zu garantieren.

Dort sind aktuell 3 Psychotherapeuten sowie 3 Gynäkologen tätig. Es gibt aber weder einen Neurologen noch einen Kinderarzt im Stadtteil. Die Vertragsarztsitze, die die Kassenärztliche Vereinigung vergibt, orientieren sich an der Einwohnerzahl der Stadt. Dabei wird jedoch auf das gesamte Stadtgebiet geschaut und keine Rücksicht auf die Versorgung in den einzelnen Stadtteilen genommen.

Die Kinderbeauftragte Eva Maria Lang, Ortsbeirat in Kalbach-Riedberg, hat daher einen Antrag an den Magistrat gerichtet, mit der Bitte, einen finanziellen Anreiz zu bieten, damit der Ortsteil für Kinderärzte attraktiver wird – etwa durch Mietzuschüsse oder durch eine Nutzungsänderung bestimmter Flächen, um die Einrichtung einer Praxis zu ermöglichen.

Ein Versuch, an der Allmacht der Kassenärztliche Vereinigung vorbei, die Versorgungsnot in unserem Ortsteil zu heilen.


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