Diese Kinder sind Gewinner

Clara greift nach Sophies Hand. Die beiden Mädchen sitzen im Rollstuhl. Auch die anderen Kinder, die zur Ballett-Gruppe von Dr. Thom Hecht gehören, hören aufmerksam zu. Sie sind zwischen drei und sieben Jahren alt und nur wenige Meter von der großen Bühne entfernt. Ein Mann hat sich zu ihnen gesetzt, erklärt, dass hier gleich ein Preis verliehen wird und sie auf diese Bühne dürfen. Um zu zeigen, was sie können. Er sagt: „Ich will, dass ihr Spaß habt, ich will aber nicht, dass ihr diese Treppe runterfallt.“ Dann fügt er hinzu: „Bitte passt auf! Ich wünsche euch eine tolle Show.“

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Vorbesprechung ….

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…vor dem Auftritt auf der großen Bühne

Später, auf der Bühne, werden sie wie ein Vogel fliegen. Mit ausgebreiteten Armen. Jedes Kind, wie es kann und möchte. Den Blick auf Thom Hecht gerichtet, bewusst oder unbewusst im Takt der Musik. Eines der Kinder hat ein Down-Syndrom. Auch andere haben wie erwähnt ein Handicap, aber längst nicht alle. Das Projekt gehört zu drei ausgewählten Wettbewerbsbeiträgen zum Thema Inklusion, die der Paritätische Wohlfahrtsverband bei einer Fachtagung in Frankfurt prämiert.

„Jedes Kind fühlt sich als Teil der Gruppe. Man spürt diese Verbundenheit. Die Kinder fühlen sich wohl. Sie wissen, hier kann ihnen nichts passieren“, sagt Tanzpädagoge Thom Hecht bei einem Vorgespräch im Familienzentrum Billabong e. V. Er lädt MAINRiedberg zu einer Ballettstunde ein, natürlich mit dem Einverständnis der Eltern.

Ein Junge würde am liebsten noch den Kuschel-Hund mitnehmen. Nur ganz am Anfang. Dann wird das Hündchen draußen warten. Ein Mädchen bleibt noch ein paar Minuten abseits, die Knie fest umklammert, bis es sich zu den anderen in den Kreis wagt. Thom wählt die Worte mit Bedacht. Er spricht nicht von „Aufstehen“ oder „Hinsetzen“ und macht Mut. Auch ein Kind mit einer geistigen und körperlichen Behinderung kann davon träumen, eine Fee zu sein. Die Hände weit nach oben strecken, während die anderen hochspringen. Und lächeln, wenn es angeschoben wird, wenn sie alle einen Zug spielen, der zur Musik durch den Multifunktionsraum des Jugendhauses rattert.

Thom Hecht (42) beschäftigte sich bereits vor und während seiner Promotion in den USA intensiv mit Women’s Studies. Mit Geschlechterrollen, Minderheiten, den Bedürfnissen von Menschen mit und ohne Behinderung. Sein Ziel ist es, „Ballett und Tanz für alle zugänglich zu machen“. Vom Inklusions-Ballett „Dance Inc“, einem vermutlich einmaligen Angebot im Frankfurter Raum, bis zum Ballett für gebrechliche und demenzkranke Senioren. Derzeit unterrichtet er Frauen, übrigens auch Männer und Kinder von „2 ½ bis 96 Jahren“. 14 Damen werden im Herbst sogar zu einer Prüfung nach New York fliegen, zum American Ballet Theatre. Die Vorbereitungen für diese Prüfung für den zweiten von acht international anerkannten Leveln sind bereits gestartet.

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Eine Preisverleihung macht richtig Spaß…

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…und auch hungrig!

Am vergangenen Dienstag aber standen Clara, Elina, Emma, Hannah, Lara, Lilo, Luca, Raphael und Sophie im Mittelpunkt. Kurz vor 17 Uhr hatte das Publikum entschieden. Das Ballett-Projekt von Thom Hecht und Billabong gewann den zweiten Preis. Ein inklusives Waldarbeits-Projekt im Naturpark Kellerwald-Edersee belegte Platz drei, die Integrations-Initiative des fib e. V. in Marburg siegte. Auch die Riedberger Ballett-Kinder durften zum Gewinner-Foto auf die Bühne. Sie winkten noch etwas scheu in die Kameras der beiden Fotografen.

Zum Abschied streckte Clara die Hand nach Sophie aus, bis sie trotz Rollstuhl irgendwie ihre Wange erreichte. Manchmal, so erzählen Eltern, geben sich die Mädchen der Gruppe nach der Ballettstunde auch Küsschen. Die Jungs, die zugegebenermaßen lieber mit dem Gymnastikreifen „Auto fahren“ als ruhig zu sitzen und sanft mit der Armen mit dem „Fliegenden Teppich“ zu schweben – auch sie hüpfen begeistert raus. Einer übt sogar zuhause manchmal tanzen.

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Das Siegerfoto mit Anja Hohmann (Mitte), Julia Jung (links unten im Bild) und Dr. Thom Hecht (rechts) vom Familienzentrum Billabong und allen Gewinnern

Weitere Informationen zu Ballett am Riedberg finden Sie ab sofort auf der neuen Facebook-Seite des Thom Hecht Ballettförderzentrums

https://www.facebook.com/ThomHechtBallett

 

(Text/ Fotos: cd)

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