Der Sportplatz kann kommen!

Der Hauptdarsteller ist nur 20 bis 30 Zentimeter groß und europaweit vom Aussterben bedroht. In der Ortsbeiratssitzung stehen zwei Präparate von Feldhamstern am Rednertisch. Beeindruckend, aber auch niedlich. Das Tier, das am liebsten in Kornfeldern und milden Lössböden wie bei uns am Riedberg buddelt, war so manchen Stadtteil-Akteuren nicht geheuer. Die Hamstervorkommen könnten die dringend benötigte zweite Sportanlage verhindern. Das war die Fakten-Lage bis Freitag. Dann erklärten Experten überraschend: Der Sportplatz kann gebaut werden. Denn es gibt aktuell nur noch sehr wenige Hamster, vielleicht sogar nur noch zwei Hamster-Männchen. Sie können nur überleben, wenn sie gerettet und in eine Erhaltungsstation gebracht werden. Die Sportvereine sind erleichtert – und die Ortspolitiker sprechen von einer „guten Nachricht“, obwohl dies zugleich natürlich auch eine traurige Nachricht sei.

Sollte es wirklich nur einen einzigen Sportplatz für bald 15.000 Riedberger, zwei Vereine, zwei Grundschulen, ein Gymnasium und demnächst auch eine Integrierten Gesamtschule geben? Sollte der Riedberg sozusagen eine Kleinstadt in der großen City Frankfurt mit vier Schulen, aber ohne Möglichkeit für Leichtathletik und Bundesjungendspiele und mehr Sport für alle werden? Das war die Riedberger Sicht auf die Hamster-Problematik. Christa Mehl-Rouschal von der Unteren Naturschutzbehörde und Tobias Reiners von der AG Feldhamsterschutz des Senckenberg Forschungsinstitutes versuchten am Freitag indes ausführlich zu erläutern, warum ihr Blick auf die Lage eine völlig andere war und ist.

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Er ist klein, possierlich und akut vom Aussterben bedroht: Feldhamster-Vorkommen hätten den Bau der zweiten Sportanlage verhindern können

Alles begann mit einem Feldhamster, der vor zwei Jahren plötzlich in einem Kellerschacht am Riedberg auftauchte. Nachforschungen ergaben, dass noch mehr Hamster am Riedberg leben. Exakt auf der freien Fläche gegenüber der ersten Sportanlage in der Altenhöferallee, wo die zweite Anlage gebaut werden soll. Es war ein Zufallsfund. Man wusste vorher nur noch von Vorkommen in Bergen-Enkheim und Zeilsheim. Die Hamster vom Riedberg hätten helfen können, die Lücke zwischen einem „schmalen Band“ von Hamster-Populationen von Gießen im Norden und bis Lampertheim im Süden zu schließen und so auch für den notwendigen Gen-Austausch zu sorgen. Außerdem: Wer nicht die europäische Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie in puncto Feldhamster-Schutz beachtet, dem drohen Strafzahlungen in Millionenhöhe. Wie zuletzt Frankreich.

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Tobias Reiners von der AG Feldhamsterschutz des Senckenberg Forschungsinstituts erklärte bei der Ortsbeiratssitzung am Freitag, warum die Hamster-Population am Riedberg „nicht überlebensfähig“ ist – und wie die beiden Männchen jetzt gerettet werden sollen

Jüngste Hamster-Kartierungen jedoch ergaben, dass nur noch drei Hamster-Bauten zu finden sind und die Zahl der Riedberger Hamster auf sehr wenige Exemplare dezimiert ist. „Da ist ein Überleben der Art praktisch ausgeschlossen“, so Tobias Reiners vom Senckenberg Forschungsinstitut. „Wir müssen jetzt die Einzeltiere im Zuge einer Tierrettung bergen und in eine Erhaltungsstation bringen.“ Sonst wäre in kürzester Zeit der Bestand erlöscht und der „genetische Austausch nicht mehr möglich gewesen“.

So wird der neue Sportplatz

Für den Stadtteil bedeutet das im Umkehrschluss: Nach der Arbeit der Hamster-Experten können die Sportplatz-Planungen wieder aufgenommen werden. Laut Planungsstudie soll die Anlage mit einem Funktionsgebäude mit Umkleiden und Duschen gebaut werden, einer 400-Meter-Laufbahn (falls die vorgesehenen Freizeitgärten nebenan mitbeansprucht werden können), mit einer Weitsprung-, Hochsprung- und Kugelstoß-Anlage, einem Großspielfeld und einem Kleinspielfeld, Multifunktionsfeldern und 42 Parkplätzen. Durch die Feldhamster-Vorkommen lagen bisher aber auch ein Spielplatz, ein Bolzplatz mit Volleyballfeld, ein Seitenstreifen vor dem Feld zum Spielen für Kinder plus der Verbindungsweg zwischen Kalbach und Riedberg mit Bänken und Laternen auf Eis.

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Das sehen die Pläne für die zweite Riedberger Sportanlage aus

Das sagen die Schulen und Vereine

Die Erleichterung ist auch bei den Schulen groß. „Das ist eine sehr gute Nachricht für die Schulen“, sagt Barbara Günther, die Elternbeiratsvorsitzende der Marie-Curie-Schule. Sie war für dieses Brennpunkt-Thema auch am Wochenende zu erreichen, ebenso wie die stellvertretende Elternbeirats-Vorsitzende der ersten Grundschule, Corinna Ruef. Auch sie freut sich sehr, dass das Sportgelände an der Altenhöferallee erweitert wird, „weil dadurch auch für die Schule noch mehr Aktivitäten ermöglicht werden und dies allen Kindern zugute kommt“.

Besonders groß ist die Freude bei den Vereinen. Der SC Riedberg, der seit Februar 2012 die erste Sportanlage als „betreuender Verein“ übernommen hatte, ist „dank der hohen Nachfrage schnell an die Grenzen gestoßen“. Auch deshalb sagt Frank Weisske, zweiter Vorsitzender des SCR: „Ich freue mich sehr über die weiteren Möglichkeiten, die sich aus der Sportflächenerweiterung ergeben.“ Zugleich sei man sehr „dankbar für das große Engagement aller Beteiligten, seitens der Stadt und des Ortsbeirats“, gerade auch zu einer Zeit, als alles auf der Kippe stand. Gaby Nagel, die Vorsitzende des im September 2015 gegründeten Riedberger SV betont: „Wir benötigen den zweiten Sportplatz unbedingt für unseren rasant wachsenden Verein.“ Der RSV hat derzeit noch keine Platzzeiten, hatte auch eine Onlinepetition für den zweiten Sportplatz ins Leben gerufen und möchte sich für lange Öffnungszeiten „von früh bis spät“ und freie Sportzeiten für alle Bürger einsetzen.

Im Herbst, nach der Ernte, sollen die Hamster geborgen werden. Zoologen werden aber auch weiterhin das Vorhaben begleiten. Die Schulen und Vereine hoffen, dass spätestens im nächsten Jahr der ersehnte zweite Sportplatz kommt. Möglichst mit 400-Meter-Bahn. Jetzt, wo die Baupläne weitergeführt werden können, hofft man aber auch, „dass der Hamster überlebt“.

(Text: cd/ Grafik: kmd)

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