Am Anfang war nur Schotter

Am schönsten ist es am Morgen. Wenn die City unten am Main noch im Nebel liegt und für die Riedberger schon die Sonne aufgeht. Im Osten, gleich neben der Skyline der Stadt. Perfekt sind auch die Sommerabende, wenn sich das Leben in den grünen Innenhöfen, den Balkonen und Dachterrassen abspielt und der Blick von Frankfurts Wolkenkratzern bis zum Taunus reicht.

Keine Frage: Der Riedberg boomt. Mehr als 10.300 Einwohner leben inzwischen im größten Neubaugebiet Deutschlands für Wohnzwecke, wie es in bestem Amtsdeutsch heißt. Unser Stadtteil ist jung und weltoffen, innovativ, urban und kreativ. „Ich komme aus Mexiko, meine Freundin aus Serbien und in der Schule meiner Tochter sind Kinder mit asiatischen Wurzeln, aus dem Nahen Osten und natürlich Deutschland“, berichtet eine Riedberger Mutter mit ansteckendem Lachen. Im zuständigen Ortsbeirat spricht man von einem „spannenden Stück Stadtentwicklung“. Und davon, dass hier „Menschen mit verschiedensten Biografien und aus allen Teilen der Welt zusammenwachsen“. Lange stand der Riedberg im Schatten des Schwester-Stadtteils Kalbach, der anno 772 bereits erstmals urkundlich erwähnt worden ist. Doch längst spielt sich hier das gesamte, moderne Leben ab. Es gibt Ärzte, Geschäfte, immer noch einen Pferdehof, die Science City Frankfurt-Riedberg mit Campus und Forschungseinrichtungen, Cafés, erste Restaurants. Ambitionierten Städtebau und U-Bahn-Anbindung inklusive.

Als Markus Schaufler vor fast zehn Jahren mit seiner Familie hierher ziehen wollte, musste er „noch ordentlich Überzeugungsarbeit leisten“. Da war nur eine holprige Schotterstraße, die zum neuen Zuhause führte. Selbst dann, als es – natürlich später als geplant – endlich fertig war. „Es gab nur die erste Grundschule an der Kalbacher Höhe, dann lange nichts“, berichtet der Mann, der später die IG Riedberg mitinitiierte und damit erstes Gemeinschaftsleben ins Neubaugebiet brachte. Oben, wo längst das Riedberg-Zentrum entstanden ist, „war ein altes Gaslager und außerdem waren da noch ein, zwei Bauernhöfe, Streuobstwiesen und ein paar vereinzelte Häuserzeilen“. Einzig das erste Wohn-Quartier neben A661 und Merton-Viertel, der „Bo-
nifatiusbrunnen“ mit Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäusern, verströmte ein bisschen Stadtluft.

Die Riedbergerin aus Mexiko kann sich sogar noch an Zeiten erinnern, „als oben am Berg noch kein Haus war und keine 100 Meter von unse-rem Haus entfernt noch richtig Mais gewachsen ist“. Um ehrlich zu sein: ab und zu stibitzten sie den einen oder anderen Maiskolben und grillten ihn. „Das kenne ich aus meiner Heimat. Das schmeckt wirklich köstlich“, erzählt sie.

Apropos köstlich: Wer mittags den Riedberg hochfährt, nicht so sportlich wie die Profis beim Radrennen Eschborn-Frankfurt, aber mit mäßigem Tempo oder doch mal schweißtreibend per Rad, wird auf „Passhöhe“ eine kleine Menschenansammlung bemerken. Vor dem Asia-Imbisswagen Chalinee Silbermann. Man isst, sonnt und unterhält sich. Zwei Mal schon mussten Chalinee und das Küchenteam aus ihrer Heimat Thailand Bauprojekten weichen und den Standort wechseln. Jetzt ist ihr Hänger nur wenige Schritte von Uni Campus und Forschern entfernt. Das Lieblingsgericht der Kunden blieb: ein würziges, aber nicht zu scharfes Hühner-Curry mit Gemüse, Erdnüssen und Kokosmilch.

Nein, mit dem Rad sei er bisher noch nie hierher gelangt, bekennt Baudezernent Olaf Cunitz gegenüber Main Riedberg. Der Grünen-Bürgermeister fügt hinzu: „Da ich Freunde und Bekannte auf dem Riedberg habe, war dieser immer wieder Ausgangspunkt für schöne Spaziergänge.“ Manchmal ist er mehrmals pro Woche hier, dann aber aus beruflichen Gründen.

Denn am Riedberg möchte die Stadt fortführen, was Ernst May, der Baumeister des „Neuen Frankfurts“, zwischen 1925 und 1930 begonnen hat. May baute mit seinen Architekten und Gestaltern Siedlungen, die bis heute als beispielhaft gelten. Platzsparend, mit Design und Funktionalität, perfekt für Großstadtmenschen und preisgünstig dazu. May und Mitstreitern wird auch der Prototyp der Einbauküche, die Frankfurter Küche, zugeschrieben und natürlich der „Frankfurter Küchenstuhl“, der längst wieder in Design-Katalogen und im Zuhause Einzug hält. Das Quartier „die weiße Stadt“ ist May übrigens gewidmet.

Zugegeben: Wegweisende Architektur ist nicht überall. Zwei Vorzeige-Bauten, ein Einfamilienhaus vom Büro „unlimited architekten“ und das schwarze EnergieHaus Plus in der Graf-von-Stauffenberg-Allee, sind Ende Juni beim „Tag der Architektur“ zu besichtigen. Auch Star-Architekten wie Daniel Libeskind (u.a. Jüdisches Museum Berlin) legen inzwischen Entwürfe für unser Neubaugebiet vor. Die „Townhouses“ von Libeskind landeten im Jury-
Wettbewerb aber nur auf Platz 2. Den Zuschlag bekamen Architekten aus Rotterdam, Frankfurt und Berlin.

Die Zeitschrift „Capital“ empfiehlt den Riedberg bereits als Wohnlage und Kapitalanlage. Villen im neuen „Westflügel“ sollen mit Grundstück bis zu 1,8 Millionen Euro kosten. Menschen, die sich schon seit Jahren ums soziale Miteinander sorgen, liegt mehr am Herzen, „dass die
Mischung stimmt“. So setzt sich der Stadtteilarbeitskreis dafür ein, dass es endlich mehr Räume für die Vereine und sozialen Gruppierungen gibt. Für mehr Angebote für Eltern, Kinder, Jugendliche und Senioren.

Die Zahl der Riedberger wächst rasant. Ein Beispiel: Die Grundschule 2 bekommt im Sommer rund 100 neue Schüler. Weit mehr als erwartet. Ältere Kids fühlen sich derzeit noch in der Minderheit, werden sich aber sicher über die neue Anlage für Skater und BMX-Fans im Gewerbegebiet am Martinszehnten freuen. Der Skaterpark an der Josef-Eicher-Straße soll noch in diesem Jahr gebaut werden.

Längst sind wir eine Mini-Stadt in der Stadt. Wenn alle Bauprojekte fertig sind, also vermutlich 2020, werden hier mindestens 15.000 Menschen leben. Oder werden es sogar bis zu 17.000 sein? Bürgermeister Olaf Cunitz erklärt dazu: „Ich tue mir schwer mit diesen Prognosen.“ Ob eine Wohnung letztlich von zwei oder vier Personen bewohnt wird, sei „nicht steuerbar“. Viel schwerer wiegt nach Ansicht des Planungsdezernenten, dass sich alle Alt- und Neu-Riedberger „richtig wohlfühlen können“.

Dazu eine Randnotiz: Auf der offiziellen Homepage www.riedberg.de findet sich auch ein Riedberg-Klingelton. Wir finden: Der echte Riedberg klingt doch aufregender. Und ist – auch dank der Windböen vom Taunus – noch ein wenig „cooler“…                                                   Det.

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