Kinderärztin in Afrika

Viele RiedbergerInnen sind beruflich weltweit im Einsatz. Ihr Zuhause aber ist der Riedberg. Hier tanken sie Kraft, hierher kehren sie immer wieder gerne zurück. Lesen Sie jetzt ein Interview mit Dr. Silke Ehlers, Riedbergerin seit 2007 und Oberärztin im Bürgerhospital Frankfurt in der Neonatologie, der Neu- und Frühgeborenen-Medizin. Zusätzlich zu dieser verantwortungsvollen Tätigkeit verbringt sie viele Wochen in Afrika. Dieses Interview ist in Auszügen auch im neuen MAINRiedberg-Magazin zu lesen, das nächste Woche erscheint.

Frau Dr. Ehlers, Sie lieben Afrika, den schwarzen Kontinent und vor allem die Menschen dort. Wann wurde diese Liebe geboren?

Das war 1991. Im Studium war ich damals für sechs Monate in Südafrika und entdeckte mein Faible für diesen Kontinent. Beigetragen hat dazu auch eine Safari in Zimbabwe/Botswana. Insgesamt habe ich bei diesem Aufenthalt die Menschen, ihre Kultur sowie die artenreiche Tierwelt lieben gelernt. So habe ich meine „schwarze Seele“ entdeckt.

Wie regelmäßig sind Sie dort?

1994 erfolgte ebenfalls noch im Studium ein zweiter Aufenthalt, damals für drei Monate. In den folgenden zehn Jahren buchte ich Urlaube in Kenia, Namibia, Tansania, Sansibar, Äthiopien, Botswana, Zimbabwe, Sambia, und Uganda.

Mittlerweile bereisen Sie den Kontinent aber nicht nur privat, sondern Sie leisten dort medizinische und humanitäre Hilfe mit einer Hilfsorganisation, den German Doctors e.V. (GD). Wie kamen Sie dazu und was ist Ihre Aufgabe in diesem Team?

Der Kontakt kam über eine Kollegin in der UNI-Klinik in Frankfurt zustande. Das war bereits 1996. Sie berichtete über ihren Einsatz auf den Philippinen und das hat mich fasziniert. Ich wollte den Menschen in Afrika gerne etwas zurückgeben, denn ich hatte viel von ihnen gelernt dort in den Jahren. Meine ersten Einsätze für die GD dauerte sechs Wochen, allerdings in Bangladesh in Dhaka, in den Jahren 2004 und 2005.
Die GD hießen bis 2013 „Ärzte für die dritte Welt“. GD begleitet medizinische Projekte z.B. in Afrika. Mein Projekt, das ich seit Jahren mit betreue liegt in Sierra Leone, in Serabu. Dort wurde nach dem Bürgerkrieg mit Hilfe der EU sowie Spenden aus Amerika und von GD ein zerstörtes Krankenhaus aufgebaut. Bei solchen großen Projekten arbeitet GD mit lokalen Partnern. Diese Institutionen sind Träger des Projekts. Die Caritas ist in Serabu der Partner. Sie sprach mit der EU, diese gab Gelder frei für einen Wiederaufbau des Hospitals in Serabu. Auf dieses Projekt bin ich im Herbst 2010 auf einem Stammtisch regionaler Ärzte der GD gestoßen. Sie halten einmal im Vierteljahr einen solchen Stammtisch ab und sprechen über ihre Projekte. Ich war dort, um wieder einen Einsatz zu planen. Aber diesmal wollte ich nach Afrika, nach Nairobi. Allerdings suchten sie Kinderärzte für Serabu.

Das klingt sehr spannend, wann waren Sie das erste Mal dort?

Mein erster Aufenthalt in Serabu war 2011. Es ist ein spezielles Krankenhaus-Projekt, da GD überwiegend Ambulanzen und Rolling Clinics in Slums und ländlichen Gegenden vorwiegend in Asien betreiben. Ich war damals sieben Wochen in Serabu als Kinderärztin, mit einem Chirurgen, einem pensionierten einheimischen Arzt und einem Internisten. Damals fehlte es noch an allen Ecken und Enden. Wir hatten kein fließendes Wasser, keinen Strom, nur über einen kleinen Generator. Zwei große Generatoren standen zwar vor Ort, von der EU finanziert und mit Diesel betrieben. Aber entweder gab es keinen Diesel oder die Generatoren waren defekt. Das ist Afrika (lacht).

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Als Dr. Silke Ehlers erstmals in Sierra Leone war, gab es im Krankenhaus von Serabu weder Strom noch fließendes Wasser.

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Wie konnten Sie und Ihre Kollegen dort arbeiten und operieren, ohne Strom und Wasser?

Wir hatten einen kleinen Generator, der wurde per Schubkarre vom OP für Licht, die Klimaanlage und für das Ultraschallgerät hin und hergeschoben. Wir hatten keinen Strom im Labor, keine gekühlten Medikamente, keine Blutbank. 2011 beendete die EU ihre Finanzhilfe. Heute finanziert GD das Projekt. Wir erhalten noch Sachspenden von amerikanischen und kanadischen Hilfsorganisationen.

Wie ging es weiter?

2013 fing das Newborn Projekt an zur Verbesserung der Neugeborenen Versorgung. Ich war damals zweimal dort, einmal drei Wochen und einmal drei Monate. Dann 2014 zweimal kurz. Der zweite Aufenthalt im Mai/Juni stand bereits unter dem Zeichen der Ebola Epidemie mit dem ersten bestätigten Fall in Sierra Leone. 2015 war ich nicht in Serabu auch wg. Ebola und dieses Jahr im Frühjahr für sechs Wochen.

Wie läuft das Newborn Projekt?

Im Newborn Projekt arbeite ich mit vier ausgesuchten Schwestern. Es ist insgesamt eine ständige Weiterentwicklung im Krankenhaus und beim Personal zu sehen. Ziel ist sicher eine Selbstverwaltung, aber es ist fraglich ob das zu erreichen ist. Neben den CHO sollen auch die Schwestern fortgebildet werden. Das ist unsere Aufgabe der GD. Wir müssen neben der direkten Arbeit immer auch die Ausbildung, meist am Patientenbett für unsere Mitarbeiter leisten. Wenn die Schwestern rotieren, fängt man wieder von vorne an.

Wie waren Ihre Eindrücke, als die Ebola-Epidemie ausbrach?

Oh, das war schlimm als damals Ebola anfing. Ich war zu der Zeit in Serabu und habe gesehen, was das mit den Menschen macht. Besonders hat mich berührt, dass ich abreisen konnte sowie alle anderen deutschen Ärzte, aber das einheimische Personal musste bleiben. Die Kollegen mussten ungeachtet von Ebola sehr hart arbeiten, sie erlebten das ständige Sterben und ertrugen alle Not. Wir fliegen nach sechs Wochen nach Hause. Dennoch: Serabu war das einzige Krankenhaus in Sierra Leone, indem kein Personal an Ebola gestorben ist und es war keinen Tag geschlossen.

Was gibt es konkret an Verbesserungen seit 2010?

Mittlerweile gibt es eine große Solaranlage. Sie versorgt alle Geräte, sie wurde vom Kindermissionswerk in Aachen gespendet. Inzwischen gibt es fließendes Wasser und Strom. Seit Dezember 2014 ist eine große Satellitenanlage installiert. Jetzt funktioniert alles: Internet, Facebook, Whats App, usw. Außerdem bringen wir Ärzte Medikamente und Instrumente mit.

Wie stellt sich die personelle Situation dar?

GD finanziert alle 92 Angestellten in Serabu. Leider gibt es nur wenige Spezialisten im Land. Vor allem durch Ebola sind viele Ärzte gestorben, zudem ist in Sierra Leone ein Medizinstudium nur in Freetown möglich, eine anschließende Facharztausbildung gibt es nur sehr eingeschränkt. Was im Land ausgebildet wird sind CHO, Community Health Officer, deren Ausbildung dauert drei Jahre. Diese Fachkräfte sind keine Ärzte, aber sie verfügen über gute Grundkenntnisse. Einer von ihnen arbeitet in Serabu z.B. als Anästhesist. Insgesamt sind sieben CHO mit verschiedenen Aufgaben in Serabu angestellt. Außerdem sind immer vier bis fünf GD vor Ort. Dazu zählen: ein Langzeitarzt (bis zwei Jahre vor Ort), immer ein Kinderarzt, ein Gynäkologe, ein Chirurg und ein Anästhesist. Von den GD kommen manche nur einmal, andere fahren gerne hin, weil es „einrastet“ auf der Beziehungsebene zu den Menschen. Wenn man öfters dort ist, bauen sich schöne Bindungen auf, nicht nur zu den Schwestern und den CHO sondern auch zum Management, zur Verwaltung und zur Bevölkerung.

Wie finanzieren Sie Ihre Aufenthalte dort? Und woher nehmen Sie Ihre Freizeit dazu?

Ich verwende einen Teil meines Urlaubes dafür und meine Überstunden. Wir bekommen keine Vergütung von den GD. Sie bezahlen die Hälfte der Flugkosten. In Serabu sind Kost und Logis frei.

Wie und wo sind Sie untergebracht?

Für die Ernährung wird gut gesorgt. Das GD Quartier besteht aus drei Häusern mit je drei Schlafzimmern, einem Gemeinschaftszimmer, einer Köchin, sie soll auch unsere Wäsche waschen und die Räume sauber halten. Ihr Schwerpunkt ist das Kochen. In den Anfangsjahren gab es jeden Tag Hühnchen, jetzt haben wir zu meinem Leidwesen einen europäischen Speiseplan. Es gibt Nudeln mit verschiedenen Soßen. Leider zu wenig Obst und Gemüse, dafür viel Reis und scharfe Soßen.

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Die Ärztin hat sich auch sehr dafür eingesetzt, dass die (Überlebens-)Bedingungen insbesondere für die Neugeborenen verbessert wurden.

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Welche gesundheitliche Prophylaxe wenden Sie an?

Die üblichen Impfungen sowie eine Malariaprophylaxe. Das ist Pflicht, denn die Malaria Tropica hat das ganze Jahr Saison. Wg. Ebola wurden wir auch gegen Tollwut und Meningitis geimpft. Trotz der Malariaprophylaxe bin ich schon zweimal daran erkrankt, weil keine Prophylaxe 100 % Schutz bietet.

Schildern Sie kurz ein Erlebnis aus Ihrer täglichen Arbeit dort, um die Umständen Sie dort Ihren Dienst verrichten.

Da denke ich spontan an das Jahr 2011. Damals war noch wenig Personal im Krankenhaus. Ich musste bei einer hochschwangeren Frau einen Kaiserschnitt machen – es war mein erster – denn wir hatten weder einen Chirurgen, noch einen Anästhesisten.
In einem anderen Fall brachte eine Frau Zwillinge zur Welt. Bis ich in den Kreissaal gerufen wurde, war der erste bereits geboren. Der Zweite kam jedoch mit den Füßen zuerst. Außerdem hatte er ein Ärmchen oben über dem Kopf liegen und nicht seitlich am Körper. Unglücklicherweise hatte eine der Schwestern bereits die Nabelschnur durchtrennt. Somit war das Kind von der Sauerstoffversorgung abgeschnitten. Letztendlich kam jede Hilfe zu spät, das Neugeborene war nicht zu retten.
Diese Vorfälle führten dazu, dass wir die Situationen für die Neugeborenen unbedingt verbessern mussten. Wir schafften Raum, für mehr Ruhe und eine bessere Betreuung der Neugeborenen, bildeten die Schwestern besser aus, veranstalteten Workshops für die Schwestern in den Gesundheitsposten, in der schwangeren Betreuung, um die Risikofaktoren und die Müttersterblichkeit zu vermindern. Alles war auf einem guten Weg bis 2014 Ebola kam. Aber auch danach sind wir dran geblieben, wir wiederholen die Seminare und starteten einen Neuanfang nach Ebola. Man muss dran bleiben, denn es ist Afrika, alles läuft dort ein bisschen anders als hier.

Welche Pläne haben Sie noch für dieses Jahr?

Eventuell fliege ich im Oktober nochmal für sechs Wochen nach Serabu als Vertretung der Langzeitärztin. Zurzeit ist eine für drei Jahre dort. Als Langzeitärztin übernimmt man die gesamte medizinische Koordination vor Ort.

Das Gespräch führte Klaus Emmerling

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Wer mehr wissen oder die Arbeit der German Doctors unterstützen möchte:

www.german-doctors.de
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BIC: BFSWDE33MNZ
Stichwort: Hilfe weltweit oder „Serabu“

(Fotos (3): Dr. Silke Ehlers)

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